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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Schatten, trank Tee und lächelte, wenn Anevay an ihm vorüber stürmte, oder zu ihm kam, weil sie glaubte, etwas Wertvolles oder Wichtiges gefunden zu haben.
    Nachts lagen sie dann nebeneinander auf ihren weichen Decken und betrachteten den weiten Himmel.
    Oft führte er Anevay durch Gänge, die sie noch gar nicht entdeckt hatte, zeigte ihr im Licht einer kleinen Öllampe die Felszeichnungen, die vor Jahrhunderten dort eingeritzt worden waren. Geheimnisvolle Labyrinthe aus Farben. Sie wusste schon damals, dass die Erinnerung daran schön und stark sein würde, doch drängte es sie zurück zu den Namen.
    »Erklärst du es mir?«, als er aber nicht reagierte, hob Anevay die Stimme. »Das mit den Namen, Vater!« Fast schien er hochzuschrecken, dann lächelte er, schüttelte amüsiert den Kopf, als wolle er sagen: Ach, was solls.
    »Bei den Stämmen ist das mit den Namen anders, Anevay, als bei den Siedlern. Sie nehmen oft die Namen an, die schon seit Generationen in ihrer Familie benutzt wurden. Bei uns ist das komplizierter, denn ein Name ist ein wichtiger Bestandteil deiner Persönlichkeit. Manche suchen danach in Visionen, andere vollbringen besonders mutige oder meist recht dumme Taten, um ihn zu finden. Bei uns vergibt die Schamanin den ersten Namen, bis jemand kommt und dir deinen wirklichen Namen bringt.«
    »Aber wer sollte ihn mir denn bringen? Und was, wenn derjenige gar nicht kommt oder vergisst ihn mir vorbeizubringen?«
    Ihr Vater lachte, so wie nur er es tun konnte. Ein warmes, herrliches Lachen. Zwischen echter Freude und Unbekümmertheit.
    »Warum ist dir das so wichtig?«
    »Du sagtest einmal, ich solle niemandem trauen.«
    »Ja?« Jetzt war er ganz still geworden.
    »Ich habe ihn einer grauen Dame verraten, obwohl ich es nicht wollte.«
    Ihr Vater schwieg lange Zeit, das Gesicht dem flackernden Feuer zugewandt. »Das war ein Fehler, Anevay. Du kannst vielleicht nichts dafür, aber das war ein großer Fehler.«
     
    Mit einem zittrigen Keuchen riss Anevay die Augen auf. Sie wusste, dass es nur ein Traum gewesen war, dass die letzten Worte ihres Gesprächs so nie stattgefunden hatten. So flehte sie leise, dass es nur die schlimmen Erlebnisse und die Angst waren, die sie seine Mahnung hatten träumen lassen.
    Es dauerte einige wilde Herzschläge, bis A bewusst wurde, dass ihre Augen zwar offen starrten, aber dennoch das völlige Fehlen von Licht in ihren Gedanken hockte. Zwischen alldem waberte noch immer der Schmerz, stach, pickte, fauchte oder war schon zu einem lästigen Jucken geworden. Dieses verwirrende Durcheinander übertönte ihren Geist, ganz so, als frage man jemanden, der soeben fast ertrunken wäre, ob er denn Durst habe.
    Anevay wollte die Panik, die sich schon auf dem Weg zu ihrem Herzen befand, nicht schon jetzt mit offenen Armen empfangen. So versuchte sie ruhig zu atmen, sich soweit zu beruhigen, dass sie Informationen über ihre Umgebung sammeln konnte. Im Grunde diente es nur der Ablenkung, damit sie nicht schon jetzt in Wahnsinn verfiel.
    Anevay machte mit ihrer Zunge ein schnalzenden Geräusch. Es brauchte etwas Zeit dafür, da sie wie ein pelziger Lappen ganz träge im Mund lag. Die Drogen! Der Ton schwärmte aus, machte eine kleine Reise und kam dann zu ihr zurück. Ein Raum, nicht sehr groß. Sie horchte ganz still, ohne zu atmen, bis das Rauschen ihres eigenen Blutes sie fast taub machte. A konnte nichts, aber auch gar nichts hören. Kein anderes Atmen, kein Ticken - vielleicht das einer Uhr - oder sonst ein Zeichen, das ihr sagte, sie sei nicht völlig allein.
    Der Widerhall hörte sich zudem ungewöhnlich an. Das war kein Stein gewesen, der das Echo zurückgeworfen hatte. Es klang... nein, sie konnte kein Wort dafür finden.
    In ihrem Ellenbogen hing ein scharfer Schmerz, der bis hinauf in die Schulter reichte. Die Knie pochten nur noch, an einem begann schorfiger Juckreiz. Ein kurzes Betasten der Zahnlücke ergab ausgefranstes Zahnfleisch, das nach Blut schmeckte. Ihr rechtes Handgelenk fühlte sich schwerer an und der Geruch von Kalk schwebte darüber. Man hatte ihr das gebrochene Gelenk gerichtet und eingegipst. Sehr gut. Das kribbelige Gefühl von Heilung hatte bereits eingesetzt. Die Finger konnte sie mühelos bewegen. A setzte sich auf und noch bevor der Schwindel sie traf, hörte sie das vertraute Klicken eines Wächterauges über sich.
    Ein Bündel orangener Helligkeit zerschnitt plötzlich die Schwärze und zielte genau auf ihr Gesicht. Anevay blinzelte erschrocken,

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