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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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hielt inne, wie ertappt. Das Wächterlicht wurde eine Spur schwächer, als sie sich aber erneut bewegte wieder heller. Es reagierte auf Bewegung! Ein Kranz aus vielen einzelnen Strahlen war um die konvexe Linse angeordnet, das kupferne Lid wachsam, keine zwei Schritte von ihr entfernt. Die Linse mit der durchsichtigen Pupille änderte ständig ihren Krümmungsradius. Nahaufnahme, Weitwinkel. Erneut fragte A sich, wer einst in diesen Gemäuern mit so viel Aufwand überwacht worden war.
    Da sie durch Bewegung endlich Licht erhielt, dachte A gar nicht daran, brav still zu halten. Sie setzte sich mühsam auf, schwang die Beine von dem Podest, auf dem sie gelegen hatte, stellte die wackeligen Füße auf den Boden. Er war glatt wie Marmor, nur wärmer. Das Wächterlicht folgte ihr, schien ihr nun in den Rücken. Da sah A, dass sie keinen Schatten warf. Ihr Vater hatte ihr einmal erzählt, dass nichts wirklich existiere, wenn es keinen Schatten habe. ›Existierte sie noch?‹ Ihr Herz sagte ›ja‹!
    Verblüfft tappte sie ein paar kleine Schritte und kniete sich hin. Mit der ungegipsten Hand fuhr sie über den seltsamen Boden. Er war sogar noch glatter als Marmor, reflektierte nicht einmal das Licht des Wächters hinter ihr, der mit knackenden Gelenken nun um sie herumschwenkte. Anevay hatte es selbst noch nie gesehen, aber in einem Buch gelesen: Während des Krieges, als der erstarkte Widerstand der Stämme immer mehr Opfer unter den Siedlern forderte, hatte man gefangen genommene Krieger in Zellen aus schwarzem Glas gesperrt. Das Glas war so hart, dass man nicht einmal mit einem Meißel Magie hinein hätte ritzen können. Nichts in dem Raum war dafür geeignet, dass man damit ein Labyrinth hätte legen können. Je mehr A sich umsah, desto eindeutiger stellte sie fest, dass alles in dem Raum aus schwarzem Glas gemacht war. Das Bett war nur ein geformter Block. Sie hatte das Fehlen von Decken gar nicht bemerkt, sooft hatte sie in ihrem Leben schon auf harten Böden genächtigt. Die Wände waren ohne jede Fuge, die Zimmerdecke nicht einmal zu erahnen, kein Mobiliar. Nur in einer Ecke war eine separate, niedrige Schutzwand, mit einem kleinen Loch dahinter für die Bedürfnisse.
    Das also war der Ruheraum. Sie hatten Angst vor ihr. Angst, sie könne eine Wild One sein und diesen finsteren Laden hier mit einer Portion Magie ordentlich aufmischen. Die Frage war, sollte sie diese Angst nutzen? Mrs Redbliss würde davon unbeeindruckt sein, dieser Jagor ebenfalls ... aber Fingermann nicht.
    Mit sechzehn, die graue Dame hatte ziemlich danebengelegen, sollte man noch keine Feindesliste haben. Aber A hatte schon vor Stunden unbewusst den ersten Namen darauf eingetragen. Fingermann.
    Und irgendetwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass der gesamte Himmel seine Sterne verlieren müsste, um je von dieser Liste wieder herunter zu kommen. Hätte A allerdings geahnt, wie lang diese Liste noch werden würde, sie hätte erst gar nicht damit angefangen.
    Warum geriet sie nicht in rasende Panik? In einem schwarzen Raum, an einem unglücklichen Ort? Weil es sie stolz machte, dass man sie hier eingesperrt hatte, in diese Finsternis, die vor ihr schon andere aus ihrem Volk hatten durchleben müssen. Wilde Krieger. Ja, Anevay fühlte sich wie eine von ihnen, eine Kriegerin. Sie wünschte, sie könnte dieses Gefühl in sich einschließen, damit es nicht mehr fortging. Ein kleines, aber stetes Licht, an dem sie sich festhalten konnte wie an einem Boot in stürmischer See. Denn eine ungute Vorahnung sagte ihr, dass sie jede einzelne Planke dieses Bootes brauchen würde.
    Anevay ging zurück zu dem Schlafblock. Die Teleskopgelenke des Wächterauges quietschten, als sie sich von ihr zurückzogen. Waren wohl länger nicht geölt worden. Wieder ein Punkt für ihren Stolz. Sie legte sich hin, bewegte sich nicht mehr, bis der Wächter irgendwann an seinen Platz zurückkehrte, seine Lider klickend schloss und dabei sein orangenes Licht mit sich nahm. A lag noch einige Zeit in der Dunkelheit, dachte daran, wo ihr Vater jetzt wohl sei, ob es ihm wohl gut gehe und ob er nach ihr suche, dann kam der Schlaf über sie wie eine alte, geflüsterte Geschichte.
    Eine Berührung, klebrig, huschte über ihr Schienbein, über das Knie. Anevay war in der Wildnis aufgewachsen, kein Grund zur Besorgnis, keine hektischen Bewegungen. Ein Luftzug drang unter das Nachthemd, sie riss gleichzeitig die Augen auf, beugte sich vor wie eine Bogensehne und schlug zu. Der Wächter war zu

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