Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
Vom Netzwerk:
sich durch die letzten beiden Schultern, sein Fuß glitt aus, er stolperte, die Odinstochter öffnete die Tür, verschwand. Robert rappelte sich hoch, wankte die letzten Meter voran. Die Suite war etwa halb so groß wie die königliche zuvor, also sechzig Schritte durch zwei. Eine simple Rechnung. Sie würde den kleinen Clangeist schneller ausmachen, als er einen Fluch von sich geben konnte. Dann hörte er schrilles Kreischen, vergleichbar mit einem gepeinigten Laut. Alles geschah gleichzeitig. Robert zog ein schmales Messer aus seinem Gürtel hervor, er riss die Schiebetür auf, sah die Odinstochter dort regungslos stehen, hörte die leicht schrammenden Umdrehungen des wirbelnden Bannkreises, der in ihrem Brustpanzer eingefasst war, fauchend, verschlingend. Robert bemerkte, wie sich eine dünne Rauchfahne ihrer Rüstung näherte, als wäre sie in einem Sog gefangen. Poe!
    Im nächsten Augenblick war die Spitze seiner Klinge leicht geneigt, und drückte gegen ihren Nacken. Direkt unterhalb des Helmes.
    »Sie legen jetzt besser den Rückwärtsgang ein, oder Sie werden es bereuen.«
    Die Odinstochter rührte sich nicht. Fünf endlose Sekunden hielt alles in dem Raum den Atem an.
    Robert war zehn Jahre alt gewesen, als sein Vater ihn zum letzten Mal geschlagen hatte. Sie alle wurden geschlagen, sogar Caroline. Doch die Geschwister verbargen die Schwellungen, blauen Flecken und Blutergüsse, sodass niemals Fragen gestellt wurden. Caroline blieb Caroline, doch William wurde zu einem wütenden jungen Mann, der glaubte, er müsse ständig gegen die ganze Welt ankämpfen. Robert machte sich schlicht nichts aus der Gewalt seines Vaters. Im Gegenteil, oft hatte er trotz der Schmerzen gelächelt, denn das hatte seinen Vater schier wahnsinnig gemacht. Doch an jenem Tag gab es zum ersten Mal einen Zeugen. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Großvater Lawrence an der Tür vom Vorratskeller auf, eine Flasche Wein in der Hand. Totenstille erfüllte die Küche. Dann trat Opa Lawrence zu Robert, aus dessen aufgeplatzter Lippe Blut auf den Küchenboden tropfte.
    »Würdest du so nett sein, und mir die Flasche rüber in meine Werkstatt bringen, Robert?«
    Robert rappelte sich auf, nahm die Flasche, nickte stumm und verließ den Raum. Er verharrte vor der Tür, doch er hörte kein Brüllen, nicht einmal laute Stimmen, so rannte er durch die Eingangshalle hinaus in den Garten und durch den kleinen Wald zu den Nebengebäuden, die sein Großvater als Wohnung und Werkstätten benutzte.
    Eine Woche später, Robert hatte den Vorfall schon zu den Akten gelegt, saß er bei seinem Großvater und half dabei, kleinste Zahnräder von den feinen Überresten des Gießvorganges zu befreien. Opa Lawrence linste durch ein an der Brille befestigtes monokulares Vergrößerungsglas, während er wie beiläufig sprach: »Wenn du in eine Lage kommst, in der du jemandem drohen musst, spreche niemals laut, Robert. Siehe die Worte nie als einen Bluff an, der es dennoch oftmals ist. Und wenn nötig, lege das ganze Gewicht des Namens Humberstone in die Waagschale, all seine geheimnisvolle Schwere.« Er blickte auf, ein Auge riesengroß, das andere verschmitzt. »Versprich mir, dass du dir das merken wirst, Robert.«
    Robert hatte es versprochen.
    Nun legte er seine Lippen an die Stelle, wo er die Ohren unter dem Helm der Odinstochter vermutete. Er flüsterte fast.
    »Ich bin Lord Robert T. Humberstone. Ich weiß nicht, wer Sie da unter all diesem Metall sind, aber glauben Sie mir, ich werde alle mir zu Gebote stehende Macht dazu nutzen, Ihr Leben in solche Dunkelheit zu verwandeln, dass Sie glauben, ein Tag in Hels Unterwelt sei ein Sommerpicknick an einem kühlen See. Und jetzt halten Sie den Bannkreis an, sofort!« Der Rauch war jetzt fast verschwunden. Das Jaulen von Poe klang herzzerreißend.
    Die Odinstochter griff mit einer Hand auf ihren Armschutz und betätigte ein Vorrichtung. Der Bannkreis verlangsamte sich, stoppte schließlich mit einem Klicken. Der Rauch schien sich aus dem Kreis zu winden, zog und zerrte, bis er endlich wieder frei war, trudelte zu Boden, wo er sich wieder in einen Zwerghamster verwandelte. Der kleine Clangeist sah aus, als wäre er in eine Wäschetrommel geraten. Das Fell stand strubbelig zu allen Seiten, selbst die Ohren hatten einen Knick. Er schwankte wie ein Seemann auf Landgang. Robert steckte das Messer weg, kniete sich zu ihm hinunter.
    »Verflucht, ich glaub´, ich hab grad´ Wallhall gesehen, Robbie.«
    Robert musste

Weitere Kostenlose Bücher