Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
fuhr, durchmaß die Straßen, hinein in ein unbekanntes Gebiet. Noch roch es nach Wäldern und obwohl A mit jedem Kilometer nachdenklicher wurde, so wurde ihr Herz immer fester, gefasster. Angst war ein Zustand des Körpers. Er konnte nicht ewig darin verharren, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Irgendwann war Feuer einfach nur noch Feuer, waren die Flammen nur noch Flammen, dann legte man seine Hand dort hinein und genoss die Wärme, weil es das Einzige war, das dich noch berühren konnte.
Das Haus von Mr LaRue war ein gut verborgenes Beispiel von eleganter Architektur und gewiefter Schönheit. Es hatte viele weite Fenster, die Offenheit zeigen sollten, dabei aber eckige Kanten und Giebel, die genau das Gegenteil symbolisierten. Überall hockten Kupferwächter, die wie zufällig den Garten im Auge behielten. Anevay mochte das Haus nicht. Es war eine spontane Entscheidung, als man sie aus dem Verschlag ließ. Jeder Ort hatte eine Aura und diese gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie war wie der erste Schnee. Eben noch ist er harmlos, aber warte nur ab. Das Haus sagte: ›Ich blicke auf dich hinab, weil ich bin, was ich bin: Größer als du!‹
Man führte sie auf einem Kiesweg entlang, der nur aus weißen, runden Steinen bestand, um das Haus herum. Und erst, als sie um die westliche Hausecke bogen, erkannte sie das ganze Ausmaß des Gebäudes, welches sich nach hinten in einen schier unendlichen Garten zog, fast wie eine Fabrikhalle, nur dass alles aus Glas war. Die Bauten, die wie verlängerte Arme an das Herrenhaus grenzten, waren niedrige, vollendet geformte Bogenkonstruktionen aus Glas und Kupferstreben. Sie schritten weiter an kunstvoll gestutzten Heckenwesen vorbei, die ihre Körper entweder an den Boden drückten oder in den Himmel zu greifen schienen. Blättrige Schemen, die weder tot noch lebendig waren. Und dort sah Anevay zum ersten Mal die goldenen Augen.
Zwischen den vielen Zweigen und Schatten starrte sie etwas an! Anevays Blick zuckte immer wieder zwischen ihren Bewachern und dem, was sie glaubte nicht sehen zu dürfen, hin und her. Doch mit jedem Schritt weiter in den Garten folgten ihr diese Augen. Lautlos, kein Duft, kein Laut. Es war, als könnten sie sich seitwärts durch das Gestrüpp bewegen, ohne es zu berühren. Als habe der Körper, dem dieser Blick gehörte, keinen Leib aus Fleisch und Blut. Und dann hörte sie ihn, ein Knurren, das aus der Erde unter ihren Füßen zu steigen schien, sich mit jedem Meter in ihre Fersen wühlte. A spürte Macht, soviel davon, dass sie stolperte und in Fingermann hineinlief. Er drehte sich um, hob drohend seinen Stock, grinste, und senkte ihn wieder.
»Hast ja ganz ängstliche Augen!« Er stank aus dem Mund. Er würde sich niemals an jemanden anschleichen können, wenn der Wind falsch stand. Bevor A bissig antworten konnte, bekam sie einen derben Schubser in den Rücken.
»Halt verdammt noch mal die Schnauze, Finger.« Jagors Stimme zischte nervös und A fragte sich, warum das so war. Sie gingen weiter durch den Garten, an den Glasgebäuden entlang. A sah Schatten dahinter, glaubte einmal sogar die Umrisse von Palmen zu sehen. Doch mit jedem Atemzug zog es ihren Blick in den Wald und die wilden Büsche, die das Grundstück umschlossen. Doch so sehr sie auch suchte, die goldenen Augen waren fort.
Sie stoppten und Mrs Redbliss blieb vor einer Treppe stehen, die nur wenige Stufen in die Tiefe ragte. Eine hüfthohe, kupferne Säule stand dort, die den kleinen Kopf eines Hundes hatte und sie sprach langsam und ohne merkliche Regung eben diesen an.
»Wir sind da.« Mehr sagte sie nicht. Die metallischen Augen des Hundes öffneten sich, für einen Moment glaubte A gar ein Schnüffeln zu hören, dann schlossen sich die Lider wieder und das mittlerweile vertraute Klacken und Summen einer mit Magie versehenen Tür gab ihre Riegel frei. Mrs Redbliss stieg die Stufen hinab - es waren acht - A wurde kurz geboxt, damit sie folgte und passierte eine Tür, wie sie sie noch nie gesehen hatte. Sie war rund und schien aus vielen, verschiedenen Segmenten gefertigt worden zu sein, die sich symmetrisch ineinander schoben, sobald sie geöffnet oder geschlossen wurde. Als A die Schwelle, die mehr wie ein Schott in einem Schiff wirkte, übertrat, schlug ihr feuchte, schwere Luft entgegen, gesättigt von prallem Pflanzenduft, Erde und Holz. Ein weicher, tiefroter Teppich umschlang ihre Füße. Helles Licht schaltete sich ein, fiel jedoch nicht auf die eingetretenen Personen,
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