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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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sondern auf wohl dutzende von Glaskästen, in denen zarte, hellgrüne Pflänzchen ihre zaghaften Blätter aus dunkler Erde erhoben. Ein kurzer, schneller Blick genügte, um festzustellen, dass es unzählbar viele waren. Jeder Glaskasten stand auf einem schmalen Tisch, der nur aus Eisenholz gemacht sein konnte, so dunkel und edel sah es aus, und über jedem Tisch hing eine Lampe, die wie eine untergehende Sonne orange glühte. Es konnten nur von speziellem Pulver betriebene Lampen sein, denn sie spiegelten den Lichtverlauf eines Tages wider. Und es waren eine Menge Lampen, folglich eine Menge an Pulver. Pulver aber war teuer, sehr teuer und somit war dies eine gigantische Zurschaustellung von Geld. Geld war Macht. Und Macht war nichtig und klein, wenn niemand sie anbetete. Anevay senkte den Blick auf den Teppich. Ihre Haare wurden schwerer, die Muskeln in den Schultern spannten sich. Die Luft wurde kühler, so fühlte es sich an, als die Worte zu ihr trieben, sie kleiner werden und Schnee auf ihre Haut fallen ließen. Sie sah ihn nicht, aber sie hörte ihn. 
    »Das ist das gleiche Mädchen? Diese verschüchterte, unbekannte Variable in einer sonst so perfekten Gleichung.« Der Schnee seiner Worte wehte direkt in Anevays Mund. Der hagere Mr LaRue kam herbei geschlendert, als würde er einer unerforschten Pflanze ihren zukünftigen Käfig zeigen. Er trug einen schwarzen Morgenmantel aus Brokat, der mit goldenen Stickereien besetzt war. Dort schauten exakt ausgerichtete Manschetten aus den weiten Ärmeln. Seine Füße steckten in ledernen Slippern. Die wenigen blonden Haare, die er stolz für eine Frisur hielt, hatte er sich über den dünnen Schädel gekämmt, was ihn eitel machte und gleichzeitig hässlich. Sein linkes Bein war kürzer als das andere, er stand leicht schief, die eine Seite suchte ständig nach Halt.
    MrsRedbliss knickste leicht, dann straffte sie sich, als hätte sie eine Hürde übersprungen. Ihre graue Kleidung kroch vor dem Schwarz des Gastgebers - verlor absichtlich - blieb zurück. Sie nahm eine demütige Haltung ein, beugte das Haupt vor einer Schlange, die lauter zu zischen vermochte als sie.
    A nahm seinen Geruch wahr, der nicht zu diesem Ort passte, er war zu schwer, blumig und von etwas durchdrungen, das ihr nicht gefiel. Da schwebte ein übler Duft im Hintergrund, der gefährlich roch. Metallisch, nach Säure. Es stach in der Nase, ganz hinten, dort wo der Körper auf der Hut ist.
    »Sie sieht ... ziemlich ... blass aus!« Er wandte sich gespielt entrüstet an Mrs Redbliss. »Hat sie denn noch nicht den Blutmond gesehen?» Die Frage klang gelangweilt, war sie aber nicht. In Anevay stieg stille Wut empor. Kein Zyklus. Keine Frau. Niemand. LaRue wendete sich ihr wieder zu. Er zog eine dünnrandige Brille aus dem Innenfutter seines Hausmantels, setzte sie fast beiläufig auf. Er maß sie aus, fuhr an ihr hinauf und wieder hinab, verglich sie mit Skalen und Tabellen, die noch ganz andere Dinge bestimmten als nur die Größe eines Menschen. Sie war kein Mensch mehr, sondern ein Ding. Er suchte nach etwas Anderem, etwas, das verschlossen war wie eine Tür. Und A war jemand, der ein potentieller Schlüssel dazu war.
    Er trat dicht vor sie hin, der stechende Geruch von Säure wurde stärker, nur wenig überdeckt von der kalten Aura seiner Anwesenheit.
    »Ich persönlich denke, du bist ein Nichts! Aber wirst du mir das auch beweisen können?« Seine klamme Hand langte nach ihr, als wolle sie unter das Kinn greifen. Da sprang Anevay vor und bekam den Zipfel seines weißgestärkten Hemdes zwischen die Zähne. Knurrte dabei wie eine Furie.
    Plötzlich waren alle auf den Beinen. A bekam einen laschen Hieb in den Rücken, jemand stolperte und fiel gegen eine der Glasvitrinen. Es schepperte im ganzen Raum. Luft zischte irgendwo heraus. Es war der abrupte metallische Geruch, wenn Kupferwesen ihre Bestimmung fanden, der A in die Nase stieg. Klauen packten ihr linkes Bein, sie fauchte, stieß zurück. Poltern. Glas zerbrach, Pflanzen wirbelten umher. Anevay stieß ein neuerliches Knurren aus, so heftig sie es vermochte. Der Riss kam unvermutet, aber sie hatte plötzlich das halbe Hemd in ihrem Mund und zerrte daran wie ein irrer Wolf. Sie nahm Rufe wahr, wilde Schreie.
    »Bändigt endlich diese Missgeburt, verdammt!« LaRue wimmerte, wankte, er versuchte, aus der Gefahrenzone zu stolpern, aber A hielt ihn fest. Für einen Moment dankte sie aufrichtig ihren guten Zähnen. Sie bekam einen Schlag gegen den

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