Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
Schnörkeln in den Ecken. Der dünne Mann drehte ein paar Mal an einem Rad die entsprechende Kombination und öffnete die dicke Tür. Er summte ein Lied, während er einige Dinge daraus hervorkramte. Mrs Redbliss sah besorgt aus, Fingermann starrte den Tresor an und reckte den Hals.
Als LaRue sich wieder umdrehte, hielt er ein quadratisches Kupfergebilde in der einen und einen mit einer roten Kordel verschnürten, schwarzen Samtsack in der anderen Hand. Beides legte er auf dem Tisch ab, bevor er sorgsam den Tresor wieder verschloss.
»Wirst du stillhalten oder muss der gute Jagor dir die Schultern auskugeln?« Er klang ganz normal, so als würde es ihn wirklich interessieren, wie ein Doktor, der einen Patienten befragt, wo es denn weh tue. A wusste, dass man ihr Blut abnehmen wollte. Es war besser, sich nicht länger gegen den Mann zu sträuben, sonst würde sie am Ende des Tages schwere körperliche Schäden haben. Also krempelte sie gehorsam den linken Ärmel hoch und hielt ihm den Arm hin.
»So ist´s fein, Mädchen.« Er band ihr mit dem Gummischlauch kurz über dem Ellenbogen die Adern ab, klopfte dann in die Beuge, nahm die Spritze und stach zu. Rotes Blut füllte den Kolben, seltsam dunkel. Anevays Herz hämmerte. LaRue legte die Spritze zurück in die Schale. Er zog die Kupferplatte zu sich heran. So eine Apparatur hatte A noch nie gesehen. Oben war eine runde Vertiefung, von der insgesamt sieben Rinnen leicht schräg nach unten verliefen zu sieben kleinen Löchern. Darunter, dieses Mal waagerecht, war eine zweite Vertiefung, von der aus drei Rinnen zu jeweils einem Loch führten, dahinter aber eine Art Skala hatten. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen.
LaRue knotete die Kordel des Samtbeutels auf und goss eine Fülle von glitzernden Steinen in eine Holzschale. Nachdenklich wählte er sieben Steine aus und steckte sie jeweils in ein Loch unter den Rinnen. Die Steine waren geschliffen worden und passten perfekt. Nur ein kleines bisschen lugten sie aus den Löchern hervor. Es waren völlig unterschiedliche Steine. Anevay erkannte Bernstein, einen Obsidian, einen Rubin, Topas und einen Feueropal.
»Zauberer finden ihre Steine nicht, sagt man, die Steine finden sie«, dozierte LaRue. »Der Zauberer und sein Stein bleiben ein Leben lang miteinander verbunden. Sie fühlen sich zueinander hingezogen, so könnte man es auch nennen.« Er tropfte eine recht große Menge ihres Blutes in die oberste Mulde. »Nun werden wir sehen, zu wem du dich hingezogen fühlst. Vielleicht finden wir sogar heraus, wo du geboren wurdest, Kind.«
Anevay starrte gebannt auf die Kupferplatte, die am Rand von silbernen Nieten und einigen schwarzen Rauten geschmückt war. Sie nahm an, ihr Blut müsse jetzt, falls sie eine Wild One war, einer dieser Rinnen folgen und den Stein anzeigen, der aller Wahrscheinlichkeit nach zu ihrem Wesen gehörte. Doch es geschah gar nichts. LaRue stutzte, wartete noch ab. Dann tauschte er mit einem verärgerten Schnaufen die sieben Steine gegen andere aus. Wieder passierte nichts. Anevays Blut blieb in der Vertiefung so leblos, als habe es nach dem Verlassen ihres Körpers aufgehört zu existieren. Nochmals wechselte LaRue die Steine, mit dem gleichen Ergebnis. Wütend hieb er die Faust auf den Tisch. Alle zuckten zusammen, nur A nicht. Sie war erleichtert.
Der dünne Mann probierte es mit der zweiten Anordnung auf der Kupferplatte. Er schüttete gemahlene Farbe in die drei Löcher. Gelb für die Luft, blau für das Wasser, rot für das Feuer, so erklärte er es. Es sei nicht anders als die Aurafotografie, nur besser und genauer. Erneut tropfte Anevays Blut und dieses Mal bewegte es sich. Träge floss es zu allen drei Farben. LaRue knabberte vor Aufregung an seinen Nägeln. Doch dann blieb es stehen, die Skala zeigte, und auch nur mit gutem Willen, eben noch eine 1 an, den niedrigsten Wert. LaRues Lippen bewegten sich, als kaue er auf einem verdorbenen Stück Fleisch herum.
»Raus hier, alle!« Der Ton, mit dem er das flüsterte, war scharf wie ein Skalpell. Mrs Redbliss verabschiedete sich nicht, es war wohl zu gefährlich. Niemand sagte mehr etwas. Anevay wurde wieder in den Wagen verfrachtet, selbst Fingermann schien durcheinander zu sein. Dann fuhren sie zurück nach Fallen Angels. Anevay hatte das Gefühl, dass dort ein Sturm auf sie wartete. Er würde kommen, bald.
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