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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Tempel die nächste Stunde ankündigte, dann versuchte sie mit steifen Gliedern aus der Hocke zu kommen, musste sich dabei am Schornstein abstützen, ging zur Dachluke zurück und kletterte die Holzleiter hinunter.
    Sie fühlte ihre Finger nicht mehr. Der Nase ging es auch nicht besser. Hier in der Dachkammer war es kaum wärmer als draußen im Wind. Eine schmale Tür ging hinaus ins Treppenhaus, doch sie nahm die verborgene Tür, die unsichtbar in der Vertäfelung versteckt war. Ein kurzer Druck an der richtigen Stelle und sie schwang gut geölt auf. Liesel zündete die Kerze an, die auf einem Bord hinter der Tür bereitstand. Dieses »zweite» Treppenhaus lief einmal um das ganze Gebäude an der Außenwand entlang. Es war gemauert, damit keine Bretter verdächtiges Knarzen von sich geben konnten. Um auch Schritte zu dämpfen, hatte man die Stufen mit alten Lumpen ausgelegt. So tappte sie die kaum schulterbreite Stiege bis in den Keller hinab, wo eine weitere verborgene Tür in den Lagerraum der Taverne führte.
    Sven saß noch immer neben einem umgedrehten Fass, das als provisorischer Tisch diente. Noch immer einen Humpen in der Hand. Nach der Färbung seiner Nase und den glasigen Augen hatte er wohl die ganze Zeit, die Liesel dort oben gefroren hatte, hier unten weitergetrunken. Eigentlich war er zu kaum was nütze, außer Stunk zu machen. Das hatte sie schnell herausgefunden. Sie fragte sich, warum sie mit dieser so einfachen Erkenntnis allein blieb.
    »Was machst du denn hier? Sollst doch bei Lord Krüppel durchs Fenster spannen!« Er grinste über die Doppeldeutigkeit seiner Worte. Liesel legte das Entfernungsokular auf eine Bank. Hier unten war es unheimlich. All die Schatten, die zwischen Fässern und Kisten wie schweigende Butzenmänner lauerten. Es stank nach gärendem Kohl, verschüttetem Bier, Wein und anderen eingelegten Lebensmitteln, die eingeweckt in Gläsern auf Regalen standen. Dazu der Geruch von kaltem Tabak und Schweiß, der sich bei hunderten Versammlungen hier unten regelrecht in die Backsteinmauern gefressen hatte.
    »Wenn ich noch länger dort oben hocke, friert mir noch was ab«, schnauzte Liesel zurück. »Geh du doch hoch! Bei der Menge, die du intus hast, kann dir die Kälte bestimmt nichts anhaben.« Sven stand schwankend auf, seine Arbeiterhose war fleckig, genauso wie seine grobe Jacke. Er hatte ein verschlagenes Gesicht, sie mochte ihn nicht. Er trat auf sie zu, nun erstaunlich nüchterner und Liesel unterdrückte den heftigen Impuls, vor ihm zurückzuweichen. Sein Atem stank nach Bier und Kohlsuppe. Seine grauen Augen fixierten sie, wie etwas Niederes, dann lachte er plötzlich und grabschte ihr an die Brust. Sie schlug seine Hand beiseite. Das Blut schoss ihr bis zu den Ohren, die zu kribbeln begannen.
    »Na, wir wollen doch nicht, dass der schönen Liesel was abfriert, das man noch gebrauchen kann, oder?« Er griff an ihr vorbei, schnappte sich das Entfernungsokular und verschwand kichernd durch die Geheimtür. Liesel brauchte ein paar schnelle Atemzüge, bevor sie sich  setzen konnte. Verdammt! Weshalb erkannte niemand, dass dieser Kerl ein gemeingefährlicher Irrer war? Alles, womit er sich hervortat, war sein beinahe schon beängstigender Hass auf Kronprinz Ludwig. Ansonsten klopfte er aber nur Sprüche, qualmte selbstgedrehte Zigaretten und war mehr betrunken als zu irgendetwas nütze. Und zu waschen schien sich der Kerl auch nie, man roch ihn drei Kilometer gegen den Wind. Er machte ihr Angst, wenn sie ehrlich war.
    Auf der Treppe zum Schankraum polterten schwere Stiefel, ein Klopfzeichen wurde gemacht und dann erschien Alfred, der Wirt vom Schimmelreiter, in der Tür, die er fast gänzlich ausfüllte. Alfred war ein gutmütiger Berg aus Muskeln und Bart. Er trug eine Segeltuchhose, schwere Seemannsstiefel und ein blauweiß gestreiftes Fischerhemd, das bis zur üppigen Brustbehaarung offen stand, in der eine Kette von Thors Hammer baumelte. Alfred hatte nur noch einen Kranz aus schwarzen Locken um den Schädel, doch machte er das mit einem gewaltigen Schnurrbart wieder wett. Seine Hände waren groß wie Schaufeln, mit seinen Armen trug er ein Sechzigliterfass Bier unter einem Arm, als würde nur die Sonntagszeitung darunter klemmen. Er schloss die Tür wieder hinter sich, verriegelte sie und stellte ein Tablett mit dampfender Suppe, Brot und einem Becher Tee ab.
    »Dachte, du könntest was Warmes vertragen, nachdem du dort oben sicher halb erfroren bist.« Seine Stimme klang

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