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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Fenster. Es musste niemand auf der Straße sehen, dass hier Pulverlicht brannte, nicht nach all den Sparmaßnahmen und den wilden Gerüchten aus dem Norden. Das würde nur Aufmerksamkeit und Neugier hervorrufen, beides war unerwünscht.
    Robert öffnete ein Geheimfach in dem kleinsten Koffer, das von einem Siegel geschützt war und eine Reihe von flachen Glaspatronen freigab, die in selbst genähten Schlaufen hingen wie wartende Taten. Leicht bläulicher Pulverstaub war darin, feiner als jedes gemahlene Mehl.
    Er legte den linken Arm auf die Tischplatte, entfernte die teilweise von DaVinci-Leder umhüllten Bereiche, indem er die Schnallen löste und neben sich auf den Schreibtisch legte. Alles war so konstruiert, dass es mit einer Hand schnell und ohne Fummelei zu erledigen war. Vorsichtig berührte er einen Druckpunkt gleich unterhalb der Achsel. Eine Vorrichtung glitt beiseite und entblößte eine flache Mulde.
    Robert legte die Patrone ein. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Verbindung endlich hergestellt wurde. Doch dann begann sein selbstgebauter Arm zu erwachen. Was sonst wie eine tote Wüste schien, blühte nun auf. Ein kaum hörbares Summen begann, als die komplizierten Mechanismen darin, nun vom Pulver angetrieben, ihre Arbeit aufnahmen. Zahnräder, so winzig, dass sie sonst nur in den Sternenuhren verwendet wurden, die so teuer waren, dass selbst Fürsten einen nervösen Schluckauf bekamen, sobald sie den Preis erfuhren. Robert aber hatte seine Zahnräder selbst hergestellt. Sollte aus irgendeinem Grund jemand diesen Arm einmal genauer untersuchen, läge er wahrscheinlich keine Stunde später im Tower auf einer Folterbank.
    Die Anfänge hatte er bei seinem Großvater gelernt, doch dann hatte er sich eigene Gedanken gemacht, selbst herumgetüftelt und ausprobiert. Als er die ersten Erfolge erzielt hatte, wollte er es Opa Lawrence zeigen, doch dieser kniff die Augen zusammen, hielt sich die Ohren zu und brüllte, er wolle nichts davon wissen, raus hier, sofort!
    Später erst hatte dieser es seinem Enkel erklärt. ›Behalte diese Dinge für dich, Robbie. Was ich nicht weiß, das kann ich auch nicht verraten, auch unter der Folter nicht.‹ Robert war entsetzt gewesen über diese Sichtweise. Wer sollte so etwas Grausames nur tun? Es könnte vielen Menschen helfen, denen zu schwer verletzte Gliedmaßen einfach abgenommen wurden, um sie dann mit Holz oder einem Haken zu ersetzen. Doch es war wie immer, ein Zauberer verriet seine Magie nicht, auch nicht dem eigenen Großvater. So schluckte Robert seinen Stolz hinunter. Doch nicht nur das, je mehr Fortschritte er machte, desto ängstlicher wurde er, dass man es entdecken könne. So blieb der Arm für den Rest der Welt ein scheußliches Ding, das man verabscheuen oder bemitleiden konnte, für Robert aber wurde dieser Arm ein Weg in die Magie, wie er tiefer nicht hätte führen können. Eine Forschungsreise am eigenen Körper. Doch auch wenn der Arm im Laufe der Zeit immer besser funktionierte, der Zorn auf seinen Bruder William, der für dieses Unglück überhaupt erst verantwortlich war, der erlosch nicht, im Gegenteil, er brannte heller denn je.
    Robert musste sich jetzt beeilen, er holte ein kleines Fläschchen aus seiner Tasche, zog den Korken mit den Zähnen heraus und kippte die blutrote Flüssigkeit die Kehle hinunter.
    Dann kam sie: Die Euphorie! Ein Funke breitete sich in seinen toten Fingern aus, verharrte einen Lidschlag dort, bis er schließlich wie eine Flutwelle durch den ganzen Körper brandete. Der junge Lord stöhnte auf, warf den Kopf in den Nacken. Er presste die gesunde Hand vor den Mund, damit das Lachen gedämpft wurde, gleichzeitig rannen ihm Tränen der Freude über die Wangen und schließlich über die Hand. Sein Herz schlug schneller, dann raste es wie ein freigelassener Vogel in den weiten Himmel des Lebens. Er stand stolpernd auf, riss die Arme empor - beide Arme ! Machte Fäuste mit den Fingern – allen Fingern ! Licht breitete sich in seinem Bauch aus, toste in seinen Lenden, Lust tropfte von seinen Lippen wie eine vergossene Melodie. Er tanzte die Magie. Tausende Berührungen, alle wunderschön, rauschten unter seiner Haut. Er sog die Luft in seine Lungen, so heftig, dass sie den Raum leerten, ließ sich rücklings auf das Bett fallen. Sein Brustkorb blähte sich wie ein Segel auf dem Meer, Licht soviel wunderbares Licht!
    »Robbie?« Die normale Welt kehrte zurück. Poe saß auf seiner Brust und blickte ihn tadelnd an, die

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