Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
vorderen Pfoten angewinkelt, als habe man ihm gerade beim Lesen die Zeitung weggenommen. Robert musste schmunzeln.
»Alles gut, Poe.« Der kleine Hamster tappte über sein Gesicht und saß im Nu zwischen den Haaren, wo er sich ein paar mal drehte und dann niederlegte. Der junge Lord setzte sich auf. Dies war manchmal die Art seines Clangeistes ihm zu sagen, dass er es gar nicht mochte, wenn sein Zauberer solch gefährlichen Unsinn anstellte.
Ob es wirklich eine Gefahr darstellte, wusste Robert noch nicht einzuschätzen. Leicht schwankend, doch voller Energie, ging er zum Tisch zurück und nahm sich etwas Konfekt aus einer Dose, die im Koffer gewesen war. Schokolade beruhigte ihn immer. Dann streckte er sich, krempelte mit der mechanischen Hand äußerst geschickt den Ärmel des Hemdes hoch.
»So, dann wollen wir mal an etwas Sinnvollem arbeiten«, murmelte er und packte seine Instrumente aus.
Nachtrose
Liesel Furtwanger saß nur zwei parallel verlaufende Straßen weiter im Hafenviertel auf dem Dach einer Taverne und fror sich langsam aber sicher den Hintern ab. Auch wenn sie neben dem Schornstein hockte, gab dieses blöde Ding kaum genug Wärme ab, damit man hier oben nicht das Bibbern anfing. Der Grund dafür war der scharfe Wind, der immer häufiger in Böen vom Hafen kam und derart durch ihren dicken Mantel blies, als hätte sie sich lediglich ein olles Fischernetz um die Schultern gelegt. Das Problem dabei war, dass sie ein ganz bestimmtes Fenster durch ihr Entfernungsokular im Auge behalten musste, doch durch das heftige Zittern hatte sie meist den wolkenverhangenen Nachthimmel oder aber das Haus direkt vor ihr in der Linse. Nicht aber die Windgasse mit dem Haus Nr. 12 und vor allem die Fenster, hinter denen sie den Lord vermutete. Liesel spuckte auf das Teerdach neben sich und rieb die klammen Finger aneinander, den verfluchten Bleistift konnte sie kaum noch halten.
Erst seit gut einem Jahr war Liesel Mitglied der Nachtrose, einer Art Untergrundbewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Regierung im Auge zu behalten. Seit der Kaiser in Wien weilte, und das tat er eigentlich nur noch, hatte sich hier in Hammaburg vieles verändert. Kaum war Ferdinand um die Ecke der Stadtmauer verschwunden, hatte Kronprinz Ludwig schon die ersten Dekrete erlassen. Unter dem Deckmäntelchen der öffentlichen Sicherheit schlichen jetzt nach Einbruch der Dunkelheit die gefürchteten Rabenmänner durch die Stadt. Unter Rabenmasken versteckt, machten sie angeblich Jagd auf Spione, die dem nordischen Feuerbund feindlich gegenüber standen. Doch meist traf es die Bürger Hammaburgs selbst, Leute, die sich schon allein dadurch verdächtig machten, wenn sie in den frühen Morgenstunden betrunken durch die Gassen torkelten und Lieder sangen. Das Schlimme daran war, dass unter den Masken ausschließlich Adelssöhne steckten, die sonst zu nichts taugten und ihre minderbemittelten Fähigkeiten in der Magie durch Schlagstöcke kompensierten
Liesel rückte das Gestell auf ihrem Kopf zurecht. Wer immer dieses Ding beschafft hatte, es musste eine Menge Geld gekostet haben. Oder es war irgendwie von einem Lastwagen gefallen. Diese Okulare von Zeiss benutzten sonst nur Späher auf Schiffen und Zeppelinen.
Sie klappte wieder den sogenannten Linsenzylinder herunter, so dass dieser über ihrem linken Auge saß. Mehrere unterschiedliche Linsen ließen sich ein- und wieder ausklinken, insgesamt waren es acht. Nah- und Fernsicht, verschiede Farbfilter sowie Nachtsicht. Genau dieses schob sie in den kurzen Zylinder, der aussah, als hätte man ein normales Fernrohr nach einer Handbreit abgesägt. Über eine kurze Führungsstange ließ es sich sowohl vor das eine als auch vor das andere Auge schieben, denn jeder Mensch hatte meistens ein gutes oder weniger gutes davon. Das jeweils unbenutzte Auge wurde durch eine filigrane Halterung, in der normales, leicht getöntes Glas steckte, geschützt. Bei starkem Wind äußerst hilfreich. Tränen in den Augen waren für jeden Späher so gar nicht zu gebrauchen.
Doch Liesel war enttäuscht von der Technik. Man sah alles nur noch in Grautönen, heller zwar und in einem matten grünlichen Schein, aber der Knüller war das jetzt nicht gerade.
Ganz am Anfang, als der Lord angekommen war, da hatte sie geglaubt, bläuliches Pulverlicht aufflammen zu sehen, das durch die schmalen Ritzen der Sturmklappen drang, doch dann wurde es wieder zappenduster. Sie wartete noch, bis Thors Hammer am
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