Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
dem Mann zu trauen. Ein Mann, der für Gold kämpft, ist nur seiner Börse treu.«
Lord Tywin faltete die Hände unter seinem Kinn. Nur seine Augen bewegten sich, während er lauschte. Sein borstiger, goldener Backenbart umrahmte ein Gesicht, welches so ungerührt war, dass es auch eine Maske hätte sein können, doch konnte Tyrion winzige Schweißperlen auf dem rasierten Schädel seines Vaters erkennen.
»Wie konnte das geschehen?« , jammerte Ser Harys Swyft erneut. »Ser Jaime gefangen, die Belagerung durchbrochen … das ist eine Katastrophe!«
Ser Addam Marbrand sagte: »Sicher sind wir dankbar, dass Ihr uns das Offensichtliche so nahe bringt, Ser Harys. Die Frage ist: Was sollen wir jetzt tun?«
»Was können wir tun? Jaimes Armee ist gefallen oder gefangen oder in die Flucht geschlagen, und die Starks und Tullys sitzen in breiter Front auf unserem Nachschubweg. Wir sind von Westen her abgeschnitten! Sie können gegen Casterlystein marschieren, wenn sie wollen, und was sollte sie daran hindern? Mylords, wir sind geschlagen. Wir müssen um Frieden ersuchen.«
»Frieden?« Tyrion nahm einen Schluck Wein und schleuderte den leeren Becher zu Boden, wo er zerschellte. »Da habt Ihr Euren Frieden, Ser Harys. Mein lieber Neffe hat ihn gebrochen, als er beschloss, den Roten Bergfried mit Lord Eddards Schädel zu verzieren. Es dürfte Euch leichter fallen, Wein aus diesem Becher dort zu trinken, als Robb Stark zu überreden, jetzt Frieden zu schließen. Er siegt … oder ist es Euch noch nicht aufgefallen?«
»Zwei Schlachten machen noch keinen Krieg«, beharrte Ser Addam. »Wir sind noch lange nicht verloren. Gern würde ich die Gelegenheit nutzen, meinen eigenen Stahl gegen diesen jungen Stark zu führen.«
»Vielleicht würden sie in einen Waffenstillstand einwilligen und uns gestatten, unsere Gefangenen gegen die ihren auszutauschen«, warf Lord Leffert in die Runde.
»Wenn sie nicht drei gegen einen tauschen, ziehen wir dabei immer noch den Kürzeren«, stieß Tyrion giftig aus. »Und was hätten wir für meinen Bruder anzubieten? Lord Eddards verwesten Kopf?«
»Wie ich höre, hat Königin Cersei die Töchter der Hand«, sagte Lord Leffert hoffnungsvoll. »Wenn wir dem Knaben seine Schwestern wiedergeben …«
Ser Addam schnaubte voll Verachtung. »Er müsste schon ein echter Esel sein, Jaime Lennisters Leben gegen das zweier Mädchen einzutauschen.«
»Dann müssen wir Ser Jaime auslösen, koste es, was es wolle«, sagte Lord Leffert.
Tyrion rollte mit den Augen. »Wenn es die Starks nach Gold gelüstet, können sie Jaimes Rüstung einschmelzen.«
»Wenn wir um einen Waffenstillstand bitten, werden sie uns für schwach halten«, meinte Ser Addam. »Wir sollten ihnen sofort entgegenreiten.«
»Sicher könnten sich unsere Freunde bei Hofe dazu bewegen lassen, sich uns mit frischen Truppen anzuschließen«, sagte Ser Harys. »Und vielleicht könnte jemand nach Casterlystein reiten und ein neues Heer aufstellen.«
Lord Tywin Lennister erhob sich. »Sie haben meinen Sohn«, sagte er noch einmal mit einer Stimme, die durch das Geplapper wie ein Schwert durch Talg schnitt. »Geht. Ihr alle.«
Da er stets eine gehorsame Seele war, stand auch Tyrion auf, um mit den anderen zu gehen, doch warf ihm sein Vater einen Blick zu. »Du nicht, Tyrion. Bleib. Und du auch, Kevan. Ihr anderen, hinaus.«
Tyrion ließ sich wieder auf der Bank nieder, sprachlos vor Verblüffung. Ser Kevan ging durch den Raum hinüber zu den Weinflaschen. »Onkel«, rief Tyrion, »wenn Ihr so freundlich wäret …«
»Hier.« Sein Vater bot ihm seinen Becher an, der Wein war unberührt.
Nun fehlten Tyrion wahrlich die Worte. Er trank.
Lord Tywin setzte sich. »Du hast Recht, was die Starks angeht. Lebend hätten wir Lord Eddard gebrauchen können, um einen Frieden mit Winterfell und Schnellwasser zu schmieden, einen Frieden, der uns die Zeit gegeben hätte, die wir brauchen, um mit Roberts Brüdern fertigzuwerden. Tot …« Seine Hand ballte sich zur Faust. »Wahnsinn. Reiner Wahnsinn.«
»Joff ist noch ein Kind«, erklärte Tyrion. »In seinem Alter habe ich selbst einige Dummheiten begangen.«
Sein Vater bedachte ihn mit einem scharfen Blick. »Wahrscheinlich sollten wir dankbar sein, dass er noch keine Hure geheiratet hat.«
Tyrion nippte an seinem Wein, überlegte, wie Lord Tywin aussehen mochte, wenn er ihm seinen Becher ins Gesicht warf.
»Noch weißt du nicht, wie übel unsere Lage wirklich ist«, fuhr sein Vater fort.
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