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Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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waren. Jon spürte, wie das unermessliche Gewicht auf ihm lastete, derweil er hinter dem Lord Haushofmeister wartete. Die Luft war kälter als in einer Gruft und stiller noch. Er spürte eine seltsame Erleichterung, nachdem sie auf der Nordseite der Mauer wieder ins nachmittägliche Licht getreten waren.
    Sam blinzelte im plötzlichen Sonnenschein und sah sich voller Sorge um. »Die Wildlinge … die würden doch nicht … sie würden nicht wagen, der Mauer so nah zu kommen. Oder?«
    »Bis jetzt haben sie es noch nie getan.« Jon stieg in den Sattel. Als Bowen Marsch und ihre Eskorte aus Grenzern aufgesessen hatten, schob Jon zwei Finger in den Mund und pfiff. Mit federnden Schritten kam Geist aus dem Tunnel gelaufen.
    Der Klepper des Lord Haushofmeisters wieherte und scheute vor dem Schattenwolf. »Willst du das Vieh mitnehmen? «
    »Ja, Mylord«, sagte Jon. Geist hob den Kopf. Er schien die Luft zu schmecken. Einen Augenblick später war er unterwegs, rannte über das breite, im Unkraut erstickende Feld, um dann zwischen den Bäumen zu verschwinden.
    Als sie den Wald erreichten, befanden sie sich in einer anderen Welt. Jon war oft mit seinem Vater und Jory und seinem Bruder Robb auf die Jagd gegangen. Er kannte den Wolfswald um Winterfell so gut wie kaum ein anderer. Der Verfluchte Wald war dem ganz ähnlich, doch fühlte er sich anders an.
    Was er nur allzu gut verstand. Sie waren über das Ende der Welt hinausgeritten. Irgendwie veränderte das alles. Die Schatten schienen dunkler, jedes Geräusch geheimnisvoller.
Die Bäume standen dicht an dicht und sperrten das Licht der untergehenden Sonne aus. Eine dünne Schicht Schnee knirschte unter den Hufen ihrer Pferde mit einem Knacken, als würden Knochen bersten. Und wenn der Wind die Blätter rauschen ließ, suchte er sich wie ein kalter Finger den Weg über Jons Rückgrat. Die Mauer lag in ihrem Rücken, und nur die Götter wussten, was vor ihnen wartete.
    Die Sonne versank hinter den Bäumen, als sie ihr Ziel erreichten, eine kleine Lichtung tief im Wald, wo neun Wehrholzbäume zu einem groben Kreis gewachsen waren. Jon atmete tief, und er sah, wie Samwell Tarly starren Blickes schwieg. Selbst im Wolfswald fand man nie mehr als zwei oder drei der weißen Bäume beieinander. Von einem Hain aus neun Bäumen hatte er noch nie gehört. Der Waldboden lag voller Blätter, oben blutrot, dunkelrot darunter. Die dicken, weichen Stämme waren knochenweiß, und neun Gesichter starrten nach innen. Das getrocknete Harz, das in den Augen Krusten bildete, war rot und hart wie Rubin. Bowen Marsch befahl ihnen, die Pferde außerhalb des Zirkels zu lassen. »Dies ist ein heiliger Ort. Wir wollen ihn nicht schänden.«
    Als sie den Hain betraten, sah Samwell Tarly aufmerksam von einem Gesicht zum anderen. Nur zwei davon ähnelten sich. »Sie beobachten uns«, flüsterte er. »Die alten Götter.«
    »Ja.« Jon kniete nieder, und Samwell kniete neben ihm.
    Sie sprachen die Worte gemeinsam, während das letzte Licht im Westen schwand und grauer Tag zu schwarzer Nacht verging.
    »Hört meine Worte und bezeugt meinen Eid«, deklamierten sie, und ihre Stimmen erfüllten den dunklen Hain. »Die Nacht sinkt herab, und meine Wacht beginnt. Sie soll nicht enden vor meinem Tod. Ich will mir keine Frau nehmen,
kein Land besitzen, keine Kinder zeugen. Ich will keine Kronen tragen und auch keinen Ruhm begehren. Ich will auf meinem Posten leben und sterben. Ich bin das Schwert in der Dunkelheit. Ich bin der Wächter auf den Mauern. Ich bin das Feuer, das gegen die Kälte brennt, das Licht, das den Morgen bringt, das Horn, das die Schläfer weckt, der Schild, der die Reiche der Menschen schützt. Ich widme mein Leben und meine Ehre der Nachtwache, in dieser Nacht und in allen Nächten, die da noch kommen werden. «
    Es wurde still im Wald. »Als Jungen seid Ihr auf die Knie gefallen«, erklärte Bowen Marsch feierlich. »Erhebt Euch nun als Männer der Nachtwache.«
    Jon streckte eine Hand aus, um Sam auf die Beine zu helfen. Die Grenzer sammelten sich um sie, entboten ihr Lächeln und Glückwünsche, alle bis auf den mürrischen, alten Waldmann Dywen. »Wir sollten uns lieber auf den Rückweg machen, M’lord«, sagte er zu Bowen Marsch. »Es wird dunkel, und die Nacht riecht nach etwas, das mir nicht gefällt. «
    Und plötzlich war Geist wieder da, pirschte sich auf weichen Pfoten zwischen zwei Wehrholzbäumen hervor. Weißes Fell und rote Augen, merkte Jon beunruhigt. Wie die Bäume.
    Der Wolf

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