Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
sich darum, dass Feuer gemacht und die Pferde versorgt wurden, während sein Bruder Wendel mit Catelyn und ihrem Onkel weiterritt, um ihrem Lehnsherrn die Ehrerbietung ihres Vaters zu übermitteln.
Der Boden unter den Hufen ihrer Pferde war weich und nass. Langsam sank er unter ihnen weg, als sie an qualmenden
Torffeuern, Reihen von Pferden und Wagen vorüberritten, die mit Dauerbrot und Salzfleisch schwer beladen waren. Auf einem steinigen Stück Land, das höher als die Umgebung lag, kamen sie am großen Zelt eines Lords mit Wänden aus schwerem Segeltuch vorbei. Catelyn erkannte das Banner, den Elchbullen der Hornwalds, braun auf dunklem, orangefarbenem Grund.
Gleich dahinter, im Nebel, entdeckte sie die Mauern und Türme von Maidengraben … oder was davon geblieben war. Mächtige Blöcke von schwarzem Basalt, jeder davon so groß wie ein kleines Bauernhaus, lagen verstreut und umgestürzt herum wie Holzklötze von Kindern, halbwegs in der weichen, morastigen Erde versunken. Weiter war von dieser Mauer nichts geblieben, die einst so hoch wie die von Winterfell aufragte. Der hölzerne Turm war vor tausend Jahren schon vermodert, und nicht einmal mehr Holzstümpfe verrieten, wo er einst gestanden hatte. Von der großen Festung der Ersten Menschen war kaum etwas erhalten worden … drei Türme, wo einst zwanzig gestanden hatten, falls man den Geschichtenerzählern Glauben schenken durfte.
Der Torhausturm wirkte stabil und konnte sich sogar einiger Meter Mauer zu beiden Seiten rühmen. Der Säuferturm drüben im Sumpf, wo sich einst die Süd- und Westmauer getroffen hatten, neigte sich wie ein Mann, der kurz davorstand, einen ganzen Bauch voll Wein in den Rinnstein zu spucken. Und der hohe, schlanke Kinderturm, in dem der Legende nach einst die Kinder des Waldes ihre namenlosen Götter angerufen hatten, damit diese den Hammer der Fluten senden sollten, hatte seine halbe Krone verloren. Er sah aus, als hätte irgendein Riesentier ein Stück aus den Zinnen oben am Turm herausgebissen. Alle drei Türme waren grün vom Moos. Ein Baum wuchs zwischen den Steinen an der Nordseite des Torhausturms, die knorrigen
Äste mit klebrigen, weißen Decken aus Geisterfell behängt.
»Gnaden uns die Götter«, rief Ser Bryndon angesichts dessen, was vor ihnen lag. » Das ist Maidengraben? Es ist nicht mehr als eine …«
»… Todesfalle«, endete Catelyn. »Ich weiß, wie es aussieht, Onkel. Ich dachte beim ersten Mal dasselbe, aber Ned hat mir versichert, dass diese Ruine ernstzunehmender ist, als es den Anschein hat. Die drei verbliebenen Türme beherrschen den Damm von allen Seiten, und ein möglicher Feind muss zwischen ihnen hindurch. Die Sümpfe hier sind unpassierbar, voller Treibsand und Moorlöcher, und es wimmelt nur so von Schlangen. Um einen der Türme anzugreifen, müsste eine Armee bis an die Hüften durch schwarzen Schlamm waten, einen Graben voller Löwenechsen durchqueren und Mauern erklimmen, die vom Moos glitschig sind, während sie sich dabei dem Feuer durch Bogenschützen auf den anderen Türmen aussetzen.« Sie sah ihren Onkel mit breitem Grinsen an. »Und wenn es Nacht wird, treiben dort angeblich Gespenster ihr Unwesen, kalte, rachsüchtige Geister des Nordens, die es nach Südländerblut dürstet.«
Ser Brynden lachte in sich hinein. »Erinnert mich daran, nicht allzu lang dort zu verweilen. Als ich zuletzt in den Spiegel sah, war ich selbst noch ein Südländer.«
Auf allen drei Türmen hatte man Standarten gehisst. Das Sonnenbanner der Karstarks hing vom Säuferturm unter dem Schattenwolf. Am Kinderturm war es Großjons Riese in gesprengten Ketten, doch auf dem Torhausturm flatterte allein das Banner der Starks. Dort hatte sich Robb eingerichtet. Catelyn machte sich auf den Weg dorthin, Ser Brynden und Ser Wendel hinter sich, die Pferde trotteten langsam über den Weg aus langen Planken, den man durch die grünschwarzen Felder aus Morast gelegt hatte.
Sie fand ihren Sohn, umgeben von den Bundesgenossen seines Vaters, in einer zugigen Halle, in deren schwarzem Kamin ein Torffeuer qualmte. Er saß an einem massiven Steintisch, einen Stapel Karten und Papiere vor sich, und sprach mit Roos Bolton und dem Großjon. Erst bemerkte er sie nicht … nur sein Wolf tat es. Das große, graue Tier lag am Feuer, doch als Catelyn eintrat, hob es den Kopf und blickte sie mit seinen goldenen Augen an. Die Lords verstummten einer nach dem anderen, und Robb sah auf, weil es plötzlich so still war, und entdeckte sie.
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