Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
vorgestellt und dazu einen Bergfried aus Baumstämmen. Was ihn stattdessen erwartete, waren ein Misthaufen, ein Schweinestall, ein leeres Schafgatter und eine fensterlose Halle aus Lehmmauern, die diesen Namen kaum verdiente. Sie war lang, niedrig und mit Grassoden gedeckt. Der Hof stand auf einer Erhebung, die zu unbedeutend
war, um sie als Hügel zu bezeichnen, und wurde von einem Erdwall umfasst. Braune Rinnsale flossen die Schrägen hinunter, wo der Regen klaffende Löcher in die Verteidigungsanlage gefressen hatte, und mündeten in einen rauschenden Bach, der sich nach Norden wand und dessen Wasser sich durch das Unwetter in einen schmutzig trüben Strom verwandelt hatte.
Im Südwesten entdeckte er ein offenes Tor, das von zwei Tierschädeln auf hohen Pfählen flankiert wurde: ein Bär auf der einen Seite, ein Widder auf der anderen. An dem Bärenschädel hingen immer noch Fleischfetzen, bemerkte Jon, während er sich wieder zur Kolonne gesellte und durch das Tor ritt. Im Inneren des Erdwalls pflockten Jarman Bockwells Männer bereits die Pferde in langen Reihen an und mühten sich ab, die Zelte aufzubauen. Ein Heer Ferkel drängte sich im Schweinestall um drei riesige Säue. Daneben zog ein kleines, nacktes Mädchen Karotten aus einem Beet, während zwei Frauen ein Schwein zum Schlachten fesselten. Das schrille Kreischen des verängstigten Tieres klang entsetzlich, fast menschlich. Chetts Hunde bellten und knurrten trotz seiner Flüche zur Antwort darauf, und Crasters Hunde bellten zurück. Als sie Geist sahen, liefen einige davon, während andere böse knurrten. Der Schattenwolf beachtete sie nicht, genausowenig wie Jon.
Nun, dreißig von uns werden es trocken und warm haben, dachte Jon, nachdem er die Halle genauer betrachtet hatte. Vielleicht sogar fünfzig. Das Gebäude war viel zu klein für zweihundert Männer, daher würden die meisten draußenbleiben müssen. Und wo sollten sie lagern? Der Regen hatte den halben Hof in knöcheltiefe Pfützen verwandelt und den Rest in Schlamm. Blieb nur die Aussicht auf eine weitere unangenehme Nacht.
Der Lord Kommandant hatte sein Pferd dem Schwermütigen Edd anvertraut. Dieser reinigte gerade die Hufe des Tieres vom Schlamm, als Jon abstieg. »Lord Mormont ist in
der Halle«, verkündete Edd. »Er sagt, du sollst zu ihm kommen. Lass den Wolf lieber draußen, er sieht so hungrig aus und würde vielleicht eins von Crasters Kindern fressen. Um bei der Wahrheit zu bleiben, würde ich das Gleiche tun, wenn es mir nur warm serviert würde. Geh schon, ich kümmere mich um dein Pferd. Sollte es drinnen warm und trocken sein, erzähl’s mir nicht. Mich hat man nicht hineingebeten.« Er entfernte einen nassen Klumpen Erde aus einem Huf. »Sieht aus wie Scheiße, findest du nicht auch? Könnte Craster den ganzen Hügel vielleicht selbst aufgehäuft haben?«
Jon lächelte. »Na ja, ich habe gehört, er würde hier schon sehr lange wohnen.«
»Das finde ich gar nicht lustig. Geh zum Alten Bären.«
»Geist, bleib hier«, befahl Jon. Die Tür zu Crasters Bergfried bestand aus zwei Hirschhäuten. Jon schob sie zur Seite und bückte sich unter dem niedrigen Türsturz hindurch. Zwei Dutzend Obergrenzer waren vor ihm eingetreten und standen um die Feuergrube in der Mitte, während sich um ihre Stiefel Lachen bildeten. Die Halle stank nach Ruß, Mist und nassen Hunden. Die Luft war voller Rauch und trotzdem feucht. Durch das Abzugsloch in der Decke tropfte Regen herein. Das Gebäude hatte nur diesen einen Raum, der erhöhte Schlafboden war über zwei grob gezimmerte Leitern zu erreichen.
Jon erinnerte sich daran, wie er sich an dem Tag gefühlt hatte, als sie von der Mauer aufbrachen: nervös wie eine Jungfrau, und dennoch neugierig auf die Geheimnisse und Wunder jenseits jeden neuen Horizonts. Hier haben wir eines dieser Wunder, sagte er sich und blickte sich in der übel riechenden armseligen Halle um. Seine Augen tränten wegen des beißenden Rauchs. Zu schade, dass Pyp und Kröte das verpassen.
Craster saß oberhalb des Feuers; als Einziger hatte er einen Stuhl. Sogar Lord Kommandant Mormont musste mit einer einfachen Bank vorliebnehmen. Sein Rabe hockte murmelnd
auf seiner Schulter. Jarman Bockwell stand hinter ihm, sein Kettenhemd und sein glänzendes nasses Leder tropften noch, und neben ihm stand Thoren Kleinwald in Ser Jarmys schwerem Brustpanzer und mit Zobel besetztem Mantel.
Crasters einfaches Schaffellwams und der Mantel aus Tierfellen boten dazu einen deutlichen
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