Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
Hals hängte er
sich eine feine Goldkette, um die Hüfte schnallte er sich einen Gürtel aus weißem Leder. Daran befestigte er an einer Seite einen Dolch, an der anderen ein Langschwert, beide in schwarz-golden gestreiften Scheiden. Er zog den Dolch, prüfte die Schneide, holte den Wetzstein aus seinem Beutel und fuhr damit ein paar Mal über die Klinge. Er war stolz darauf, dass er seine Waffen stets scharf hielt. »Wenn ich zurückkomme, erwarte ich ein warmes Zimmer und frische Binsen«, warnte er die Leibeigenen, während er sich ein Paar schwarze Handschuhe überstreifte, deren Seide mit filigranen Schneckenmustern aus Goldfaden verziert war.
Über eine überdachte Steinbrücke ging Theon nun hinüber zum Großen Bergfried. Der Widerhall seiner Schritte vermischte sich mit dem unaufhörlichen Grollen der See unter ihm. Um den Seeturm zu erreichen, musste er drei weitere Brücken überqueren, jede schmaler als die vorherige. Die letzte bestand nur noch aus Tauwerk und Holz, und im feuchten, salzigen Wind schwankte sie unter seinen Füßen. Als Theon in der Mitte anlangte, schlug ihm das Herz schon bis zum Hals. Tief unter ihm spritzte die Gischt auf, wenn die Wellen gegen den Fels brandeten. In seiner Kindheit war er über diese Brücke gerannt , selbst in finsterster Nacht. Ein Knabe glaubt, ihm könne nichts geschehen , flüsterte ihm eine zweifelnde Stimme ein, ein erwachsener Mann weiß es besser .
Die graue Holztür war mit Eisen beschlagen und von innen verriegelt. Theon hämmerte mit der Faust dagegen und fluchte, als ein Splitter seinen Handschuh aufriss. Das Holz schimmelte, und die Eisenbeschläge rosteten.
Einen Augenblick später wurde die Tür von einer Wache in schwarzem Brustharnisch und Helm geöffnet. »Seid Ihr der Sohn?«
»Aus dem Weg, oder ich zeige Euch, wer ich bin.« Der Mann trat zur Seite. Theon stieg die Wendeltreppe zum Solar hinauf. Dort fand er seinen Vater, der neben einer Kohlenpfanne saß. Sein muffiger Mantel aus Seehundfell hüllte
ihn von Kopf bis Fuß ein. Als er die Schritte auf den Steinplatten vernahm, blickte der Lord der Eiseninseln auf und musterte seinen letzten verbliebenen Sohn. Er war kleiner, als Theon ihn in Erinnerung hatte. Und so hager. Balon Graufreud war stets dünn gewesen, aber jetzt erweckte er den Eindruck, die Götter hätten ihn in einen Kessel gesteckt und jede überflüssige Unze Fleisch aus ihm herausgekocht, bis allein Haut und Knochen geblieben waren. Ja, knochendürr und knochenhart war er, sein Gesicht hätte aus Feuerstein gemeißelt sein können. Auch seine Augen ähnelten diesem Stein, so schwarz und scharf blickten sie ihn an, aber die Jahre und der Salzwind hatten sein Haar mit dem Grau des winterlichen Meeres gefärbt, mit weißen Schaumkronen durchsetzt. Offen hing es ihm über den Rücken.
»Neun Jahre, nicht wahr?«, sagte Lord Balon schließlich.
»Zehn«, antwortete Theon und zog sich die zerrissenen Handschuhe aus.
»Einen Jungen haben sie mir genommen«, sagte sein Vater. »Was bist du jetzt?«
»Ein Mann«, erwiderte Theon, »Euer Blut und Euer Erbe.«
Lord Balon grunzte. »Man wird sehen.«
»Das werdet Ihr gewiss.«
»Zehn Jahre, sagst du. Stark hatte dich ebenso lange wie ich. Und nun kommst du als sein Gesandter.«
»Nicht als seiner«, entgegnete Theon. »Lord Eddard ist tot, er wurde von der Lennister-Königin enthauptet.«
»Beide sind tot, Stark und dieser Robert, der meine Mauern mit seinen Steinen gebrochen hat. Ich habe geschworen, den Tag zu erleben, an dem man sie zu Grabe trägt, und tatsächlich ist es so gekommen.« Er schnitt eine Grimasse. »Dennoch lassen Kälte und Feuchtigkeit meine Gelenke schmerzen, genauso wie vor ihrem Tod. Was hat es mir also eingebracht?«
»Es bringt uns großen Nutzen ein.« Theon trat näher. »Ich trage einen Brief bei mir …«
»Hat Ned Stark dich in diese Kleider gesteckt?«, fiel ihm sein Vater ins Wort und musterte ihn aus dem Schatten seines Mantels. »Fand er Gefallen daran, dich in Samt und Seide zu hüllen und zu seiner süßen Tochter zu machen?«
Theon spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. »Ich bin keines Mannes Tochter. Falls Euch meine Kleidung missfällt, werde ich andere anlegen.«
»Das wirst du.« Lord Balon warf den Mantel ab, stemmte sich hoch und stand auf. In Theons Erinnerung war sein Vater größer gewesen. »Dieser Flitter um deinen Hals – hast du ihn mit Gold oder mit Eisen bezahlt?«
Theon berührte die Kette. Er hatte es
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