Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
Langschiff war, brauchte man ihm nicht erst zu sagen. Zwar hatte er seine Schwester seit zehn Jahren nicht gesehen, doch so viel wusste er. Eigentümlich war allerdings, dass sie das Schiff so benannt hatte; Robb Stark hatte seinem Wolf den Namen Grauwind gegeben.
»Stark ist grau, Graufreud ist schwarz«, murmelte er und lächelte, »aber offensichtlich sind wir beide windig.«
Der Priester hatte darauf nichts zu erwidern.
»Und was ist mit Euch, Onkel?«, fragte Theon. »Als man mich von Peik fortbrachte, wart Ihr noch kein Priester. Ich kann mich erinnern, wie Ihr die alten Plünderlieder gesungen und mit einem Horn voll Bier auf dem Tisch getanzt habt.«
»Jung war ich und eingebildet«, sagte Aeron Graufreud, »aber das Meer hat meine Torheit und Eitelkeit fortgespült. Jener Mann ist ertrunken, Neffe. Seine Lungen haben sich mit Salzwasser gefüllt, und die Fische haben ihm die Schuppen von den Augen gefressen. Als ich wieder auftauchte, sah ich klar.«
Er ist ebenso verrückt wie griesgrämig. Der alte Aeron Graufreud hatte Theon besser gefallen. »Onkel, warum hat mein Vater zu den Schwertern und zu den Segeln gerufen?«
»Zweifelsohne wird er dir das in Peik erklären.«
»Ich würde seine Pläne gern jetzt schon kennen.«
»Von mir wirst du nichts erfahren. Uns wurde befohlen, darüber zu keinem anderen Mann zu sprechen.«
»Selbst zu mir nicht?« Theons Zorn flammte auf. Er hatte Soldaten in den Krieg geführt, war mit einem König auf die Jagd gegangen, war an der Seite von Brynden Schwarzfisch und Großjon Umber geritten, hatte im Wisperwald gekämpft, hatte mehr Mädchen in sein Bett geholt, als er zu zählen vermochte, und dennoch behandelte ihn sein Onkel wie ein zehnjähriges Kind. »Falls mein Vater Kriegspläne schmiedet, muss ich es wissen. Ich bin ›kein anderer Mann‹, ich bin der Erbe von Peik und den Eiseninseln.«
»Was das betrifft«, sagte sein Onkel, »so wird man sehen.«
Die Worte trafen ihn wie ein Schlag ins Gesicht. » Man wird sehen? Meine Brüder sind beide tot. Ich bin der einzige lebende Sohn meines Vaters!«
»Deine Schwester lebt auch noch.«
Asha , dachte er verwirrt. Sie war drei Jahre älter, aber dennoch … »Eine Frau darf die Nachfolge nur dann antreten, wenn es keinen männlichen Erben mehr in der Linie gibt«, beharrte er laut. »Ich lasse mich meiner Rechte nicht berauben, ich warne Euch.«
Sein Onkel grunzte. »Du warnst einen Diener des Ertrunkenen Gottes, Junge? Du hast zu vieles vergessen. Und du bist ein großer Narr, wenn du glaubst, dein Hoher Vater würde diese heiligen Inseln jemals in die Hände eines Stark legen. Jetzt schweig. Der Ritt ist weit genug, auch ohne dein unaufhörliches Geschwätz.«
Theon hielt den Mund, doch fiel ihm das nicht leicht. So steht es also , dachte er. Als hätten ihn zehn Jahre in Winterfell zu einem Stark gemacht. Lord Eddard hatte ihn zusammen mit seinem eigenen Sohn aufgezogen, allein: Theon war nie einer von ihnen gewesen. Die ganze Burg, von Lady Stark bis zur niedrigsten Küchenmagd, hatte gewusst, dass er eine Geisel war, und ihn entsprechend behandelt. Selbst dem Bastard Jon Schnee war mehr Ehre zugestanden worden.
Von Zeit zu Zeit hatte Lord Eddard versucht, den Vater für ihn zu spielen, aber für Theon war er stets der Mann geblieben, der Peik mit Feuer und Blut überzogen und ihn aus seiner Heimat verschleppt hatte. Seine ganze Jugend über hatte er in Angst vor Starks strenger Miene und seinem großen, dunklen Schwert gelebt. Und seine Gemahlin hatte sich ihm gegenüber noch distanzierter und misstrauischer verhalten.
Was die Kinder betraf, so waren die jüngeren während der meisten seiner Jahre auf Winterfell quengelnde Kleinkinder gewesen. Nur Robb und sein unehelicher Halbbruder Jon Schnee waren alt genug gewesen, um seiner Aufmerksamkeit wert zu sein. Der Bastard war ein mürrischer Knabe, schnell gekränkt und neidisch auf Theons hohe Abstammung und Robbs Zuneigung ihm gegenüber. Was Robb betraf, brachte Theon ihm durchaus eine gewisse Zuneigung entgegen,
wie einem jüngeren Bruder … allerdings sollte er das besser nicht erwähnen. In Peik, so schien es, wurde der alte Krieg noch immer ausgefochten. Das sollte ihn nicht überraschen. Die Eiseninseln lebten in der Vergangenheit; die Gegenwart war zu hart und bitter, um sie zu ertragen. Außerdem waren sein Vater und sein Onkel alt, und alte Lords legten nun einmal ein solches Gebaren an den Tag; sie nahmen ihre verstaubten Fehden mit ins
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