Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
antwortete er. »Nach einem halben Jahr war mein Gold aufgebraucht, und ich musste mich als Söldner verdingen. Während ich am Rhoyne gegen die Braavosi kämpfte, zog Lynesse zu einem reichen Handelsherrn namens Tregar Ormollen. Es heißt, sie sei inzwischen seine Lieblingskonkubine, und selbst seine Frau fürchte sich vor ihr.«
Dany war entsetzt. »Hasst Ihr sie?«
»Fast so sehr, wie ich sie liebe«, erwiderte Ser Jorah. »Bitte entschuldigt mich, meine Königin. Ich bin sehr erschöpft.«
Sie erteilte ihm die Erlaubnis, sie zu verlassen, doch als er die Zeltklappe aufhob, konnte sie einer letzten Frage nicht widerstehen. »Wie hat sie ausgesehen, Eure Lady Lynesse?«
Ser Jorah lächelte traurig. »Nun, sie hatte ein wenig Ähnlichkeit mit Euch, Daenerys.« Er verneigte sich tief. »Schlaft wohl, meine Königin.«
Dany zitterte und zog das Löwenfell enger um sich. Sie sah mir ähnlich. Er begehrt mich , begriff sie jetzt. Er liebt mich, wie er sie einst liebte, nicht so, wie ein Ritter seine Königin liebt, sondern wie ein Mann eine Frau. Sie versuchte sich vorzustellen, in seinen Armen zu liegen, ihn zu küssen, ihm Vergnügen zu bereiten, ihn in sich eindringen zu lassen. Es war unmöglich. Sobald sie die Augen schloss, verwandelte sich sein Gesicht in das von Khal Drogo.
Khal Drogo war ihre Sonne, ihre Sterne gewesen, ihr erster Mann, und vielleicht auch der letzte in ihrem Leben. Die Maegi Mirri Maz Duur hatte geschworen, Dany würde niemals einem Kind das Leben schenken, und welcher Mann wollte schon eine unfruchtbare Frau? Ja, und welcher Mann konnte hoffen, neben Drogo zu bestehen, der gestorben war,
ohne dass man ihm je das Haar geschnitten hatte, und der jetzt durch die Länder der Nacht ritt, wo die Sterne sein Khalasar waren.
Sie hatte die Sehnsucht in Ser Jorahs Stimme bemerkt, als er von seiner Bäreninsel gesprochen hatte. Mich wird er nie bekommen, doch eines Tages werde ich vielleicht in der Lage sein, ihm seine Heimat und seine Ehre zurückzugeben. So viel kann ich für ihn tun.
Geister störten in dieser Nacht ihren Schlaf nicht. Sie träumte von Drogo und ihrem ersten gemeinsamen Ritt nach der Hochzeit. Nur in ihrem Traum saßen sie nicht auf Pferden, sondern auf Drachen!
Am nächsten Morgen rief sie ihre Blutreiter zu sich. »Blut von meinem Blut«, erklärte sie ihnen, »ich brauche euch. Jeder von euch soll sich drei Pferde aussuchen, die kräftigsten und gesündesten, die uns geblieben sind. Beladet sie mit so viel Wasser und Vorräten, wie sie tragen können, und zieht für mich aus, um das Land zu erkunden. Aggo wird sich nach Südwesten wenden, Rakharo nach Süden. Jhogo, du folgst dem Shierak Qiga nach Südosten.«
»Wonach sollen wir suchen, Khaleesi ?«, fragte Jhogo.
»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Dany. »Sucht nach Städten, lebenden oder toten. Sucht nach Karawanen und Menschen. Sucht nach Flüssen und Seen und dem großen Salzmeer. Findet heraus, wie weit sich die Wüste noch vor uns erstreckt und was jenseits davon liegt. Wenn ich diesen Ort verlasse, will ich nicht abermals blindlings aufbrechen. Ich möchte mein Ziel kennen und wissen, wie ich es am besten erreiche.«
So ritten sie von dannen, und die Glöckchen in ihren Haaren klingelten leise, derweil Dany sich mit den Überlebenden der Reise häuslich einrichtete. Sie nannten den Ort Vaes Tolorro , die Stadt der Knochen. Auf den Tag folgte die Nacht, auf die Nacht ein neuer Tag. Frauen ernteten Obst in den Gärten der Toten. Männer kümmerten sich um die Pferde und reparierten
Sättel und Zaumzeug. Die Kinder streiften durch die verwinkelten Gassen und stöberten alte Bronzemünzen, Scherben von purpurfarbenem Glas und Steinflakons mit Griffen in Form von Schlangen auf. Eine Frau wurde von einem roten Skorpion gestochen und starb; dies blieb jedoch der einzige Todesfall. Die Pferde setzten wieder Fleisch an. Dany versorgte persönlich Ser Jorahs Wunde, die endlich zu heilen begann.
Rakharo kehrte als Erster zurück. Im Süden breite sich die rote Wüste weiter und weiter aus, berichtete er, bis sie an der trostlosen Küste des giftigen Wassers endete. Zwischen hier und dort gab es nur Sand, vom Wind zerklüftete Felsen und Pflanzen mit scharfen Dornen. Er hatte die Knochen eines Drachen gesehen, der, das schwor er, so riesig war, dass er durch die schwarzen Kiefer reiten konnte. Abgesehen davon hatte er nichts gefunden.
Dany überließ ihm die Aufsicht über zwei Dutzend ihrer stärksten Männer und
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