Das Lied von Eis und Feuer 03 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 03 - A Clash of Kings (Pages 1-332)
Männer. Der Griff war neu für ihn angefertigt und mit einem Knauf aus hellem Stein in Gestalt eines Wolfskopfes versehen worden, doch die Klinge war guter valyrischer Stahl, alt und leicht und todbringend scharf.
Er kniete sich hin und griff mit der behandschuhten Hand in den Schlund. Das Innere der Aushöhlung war rot vom getrockneten Saft des Baumes und vom Feuer geschwärzt. Unter dem ersten Schädel entdeckte er einen zweiten, kleineren mit abgebrochenem Unterkiefer. Dieser war halb von Asche und Knochenstücken begraben.
Nachdem er den Schädel Mormont gereicht hatte, hob der Alte Bär ihn mit beiden Händen und starrte in die leeren Augenhöhlen. »Die Wildlinge verbrennen ihre Toten. Das haben wir schon immer gewusst. Jetzt wünschte ich nur, ich hätte sie nach dem Grund dafür gefragt, als sich noch welche in der Nähe herumtrieben.«
Jon Schnee erinnerte sich an den Toten, der auferstanden war, an die blauglühenden Augen in seinem bleichen, toten Gesicht. Er kannte den Grund, ganz gewiss.
»Ich wünschte, diese Knochen könnten sprechen«, murmelte der Alte Bär. »Dieser Kerl könnte uns wohl viel erzählen. Wie er gestorben ist. Wer ihn verbrannt hat und warum. Wohin die Wildlinge verschwunden sind.« Er seufzte. »Die Kinder des Waldes konnten mit den Toten sprechen, heißt es. Ich nicht.« Er warf den Schädel zurück in den Mund des Baumes, wo er eine Wolke aus Aschestaub aufwirbelte. »Durchsucht die Häuser. Riese, klettere auf diesen Baum und
schau dich um. Ich werde auch die Hunde holen lassen. Vielleicht ist die Spur diesmal frischer.« Sein Tonfall verriet, dass er diesbezüglich nicht allzu viel Hoffnung hegte.
Damit nichts übersehen wurde, betraten je zwei Mann jedes Haus. Jon wurde dem verdrießlichen Eddison Tollett zugeteilt, einem Knappen mit grauem Haar, der dünn wie eine Lanze war und den die anderen Brüder den Schwermütigen Edd nannten. »Schlimm genug, wenn die Toten wiederauferstehen«, meinte er zu Jon, als sie durch das Dorf gingen, »aber jetzt will der Alte Bär auch noch mit ihnen reden? Das verheißt nichts Gutes, das sage ich dir. Und wer weiß, ob die Knochen nicht lügen würden? Warum sollte der Tod einen Mann ehrlicher oder gar klüger machen? Die Toten sind wahrscheinlich dumme Kerle, die sich unaufhörlich beklagen – die Erde ist zu kalt, mein Grabstein sollte größer sein, warum hat er mehr Würmer als ich …«
Jon musste sich bücken, um durch die niedrige Tür einzutreten. Der Boden des Hauses bestand aus gestampftem Lehm. Möbel gab es keine, und nur Aschereste unter dem Rauchabzug im Dach wiesen darauf hin, dass hier einst Menschen gelebt hatten. »Was für ein trostloser Ort zum Wohnen. «
»Ich wurde in einem ganz ähnlichen Haus geboren«, erzählte der Schwermütige Edd. »Das waren meine guten Jahre. Später wurde alles viel schlimmer.« Ein Haufen trockenen Strohs füllte eine Ecke des Raums. Edd blickte ihn sehnsüchtig an. »Ich würde alles Gold von Casterlystein geben, um mal wieder in einem Bett zu schlafen.«
»Das nennst du ein Bett?«
»Wenn es weicher ist als der Erdboden und ein Dach darüber ist, dann nenne ich es ein Bett.« Der Schwermütige Edd schnüffelte. »Ich rieche Mist.«
Der Geruch war schwach. »Alter Mist«, ergänzte Jon. Offenbar stand das Haus schon eine ganze Weile leer. Er kniete sich hin und durchwühlte das Stroh, um herauszufinden, ob
darunter etwas verborgen war, dann suchte er die Wände ab. Er brauchte nicht lange. »Nichts.«
Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet; Weißbaum war das vierte Dorf, durch das sie kamen, und in den anderen hatten sie das Gleiche vorgefunden. Die Bewohner waren verschwunden, zusammen mit ihren armseligen Habseligkeiten und ihrem Vieh. In keinem der Dörfer ließen sich Spuren eines Angriffs entdecken. Die Siedlungen waren schlicht – leer. »Was glaubst du, ist passiert?«, fragte Jon.
»Etwas Schlimmeres, als wir es uns vorstellen können«, antwortete der Schwermütige Edd. »Nun, ich könnte es mir vorstellen, aber ich lasse es lieber. Es ist schon übel genug, wenn es böse mit einem endet, man muss ja nicht vorher schon darüber nachdenken.«
Sie traten ins Freie, wo zwei der Hunde vor der Tür schnüffelten. Überall im Dorf streiften die Vierbeiner herum. Chett verfluchte sie lauthals, und in seiner Stimme schwang die Wut mit, die ihn offensichtlich nie verließ. Das Licht, das durch die roten Blätter herabfiel, ließ die Pusteln in seinem Gesicht noch
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