Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
und Eurer Lüge über den Königsweg nachhetzen … vorausgesetzt, es gibt
überhaupt Verfolger, was keineswegs sicher ist. Oh, zweifellos hat die Nachricht meinen Vater erreicht … doch liebt mein Vater mich nicht über alle Maßen, und ich bin mir nicht sicher, ob er sich überhaupt rühren wird.« Es war nur eine halbe Lüge. Lord Tywin Lennister scherte sich zwar keinen Deut um seinen verkrüppelten Sohn, allerdings duldete er auch keinerlei Kränkung der Ehre seiner Familie. »Dies ist ein grausames Land, Lady Stark. Beistand werdet Ihr erst finden, wenn Ihr das Grüne Tal erreicht, und jedes Pferd, das Ihr verliert, erschwert die Last der anderen umso mehr. Schlimmer noch, Ihr geht das Risiko ein, mich zu verlieren. Ich bin klein und nicht stark, und wenn ich sterbe, welchen Sinn ergibt das alles dann?« Das war absolut keine Lüge. Tyrion wusste nicht, wie lange er diese Geschwindigkeit noch durchhalten konnte.
»Man könnte sagen, dass Euer Tod der Sinn ist, Lennister«, erwiderte Catelyn Stark.
»Ich glaube nicht«, sagte Tyrion. »Wenn Ihr meinen Tod wünschtet, hättet Ihr nur ein Wort sagen müssen, und einer Eurer standhaften Freunde hier hätte mir gern sein rotes Lächeln gewidmet.« Er sah Kurleket an, doch war der Mann zu schwer von Begriff, um den Spott zu verstehen.
»Die Starks ermorden Männer nicht in ihren Betten.«
»Ebenso wenig wie ich«, sagte er. »Ich sage es Euch noch einmal: Ich hatte mit dem Mordversuch an Eurem Sohn nichts zu tun.«
»Der Attentäter war mit Eurem Dolch bewaffnet.«
Tyrion fühlte, wie Hitze in ihm aufstieg. »Es war nicht mein Dolch«, beharrte er. »Wie oft muss ich es noch beschwören? Lady Stark, was immer Ihr von mir halten mögt … ich bin kein dummer Mensch. Nur ein Narr würde einem gemeinen Wegelagerer seinen eigenen Dolch geben.«
Einen Moment nur glaubte er, den Anflug eines Zweifels in ihren Augen zu erkennen, doch was sie sagte, war: »Warum sollte Petyr mich belügen?«
»Warum scheißt ein Bär in die Wälder?«, rief er. »Weil es
seine Art ist. Das Lügen fällt einem Mann wie Kleinfinger so leicht wie das Atmen. Ihr solltet es doch wissen, Ihr vor allen anderen.«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, mit angespannter Miene. »Und was soll das heißen, Lennister?«
Tyrion neigte seinen Kopf. »Nun, jedermann bei Hofe hat ihn prahlen gehört, er hätte Euch entjungfert, Mylady.«
»Das ist eine Lüge!« , entfuhr es Catelyn Stark.
»Oh, böser, kleiner Gnom«, sagte Marillion erschrocken.
Kurleket zog seinen Dolch, ein tückisches Stück schwarzen Eisens. »Auf Euer Wort, Mylady, werfe ich Euch seine lügnerische Zunge zu Füßen.« Seine Schweinsaugen wurden aus Vorfreude ganz feucht.
Catelyn Stark starrte Tyrion mit einer Kälte im Gesicht an, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. »Petyr Baelish hat mich früher einmal geliebt. Er war noch ein kleiner Junge. Seine Leidenschaft war für uns alle eine Tragödie, doch war sie wirklich und rein und nichts, worüber man spotten sollte. Er wollte meine Hand. Das ist die ganze Wahrheit. Ihr seid wahrlich ein böser Mann, Lennister.«
»Und Ihr seid wahrlich eine Närrin, Lady Stark. Kleinfinger hat nie jemand anderen als Kleinfinger geliebt, und ich versichere Euch, dass er nicht mit Eurer Hand prahlt, sondern mit Euren prallen Brüsten und dem süßen Mund und der Hitze zwischen Euren Beinen.«
Kurleket fasste ihm ins Haar, riss seinen Kopf mit hartem Ruck nach hinten und legte seine Kehle frei. Tyrion spürte den kalten Kuss von Stahl unter seinem Kinn. »Soll ich ihn bluten lassen, Mylady?«
»Töte mich, und die Wahrheit stirbt mit mir«, keuchte Tyrion.
»Lass ihn reden«, befahl Catelyn Stark.
Widerstrebend ließ Kurleket Tyrions Haar los.
Tyrion holte tief Luft. »Was hat Kleinfinger Euch erzählt, wie ich zu seinem Dolch gekommen bin? Das beantwortet mir.«
»Ihr habt ihn bei einer Wette gewonnen, während des Turniers an Prinz Joffreys Namenstag.«
»Als mein Bruder Jaime vom Ritter der Blumen aus dem Sattel geworfen wurde, das war seine Geschichte, nicht?«
»Das war sie«, bestätigte sie. Ihre Stirn legte sich in Falten.
»Reiter!«
Der Schrei kam vom windgeformten Kamm hoch über ihnen. Ser Rodrik hatte Lharys die Felswand hinaufklettern lassen, damit er die Straße im Auge behielt, während sie rasteten.
Eine lange Sekunde etwa rührte sich niemand. Catelyn Stark reagierte als erste. »Ser Rodrik, Ser Willis, zu Pferd«, rief sie. »Schafft die anderen Tiere hinter
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