Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
hinter mich gebracht. Mychel sagt, mein Vater muss ein Ziegenbock gewesen sein.«
Sie klang so großspurig, dass Catelyn lächeln musste. »Hast du einen Namen, Kind?«
»Mya Stein, wenn es Euch beliebt, Mylady«, sagte das Mädchen.
Es beliebte ihr nicht. Catelyn hatte alle Mühe, ihr Lächeln auf dem Gesicht zu halten. Stein war im Grünen Tal der Name für Bastarde, wie es Schnee im Norden und Blumen in Rosengarten war. Jedes der Sieben Königslande hatte der Sitte nach einen eigenen Nachnamen für Kinder, die ohne Namen geboren waren. Catelyn hatte nichts gegen dieses Mädchen, doch plötzlich musste sie an Neds Bastard auf der Mauer denken, und dieser Gedanke stimmte sie gleichzeitig böse und schuldbewusst. Sie rang um Worte für eine Erwiderung.
Lord Nestor füllte die Stille. »Mya ist ein kluges Mädchen, und wenn sie verspricht, Euch sicher zur Lady Lysa zu bringen, dann glaube ich ihr. Bisher hat sie mich noch nie enttäuscht. «
»Dann gebe ich mich in deine Hände, Mya Stein«, befand Catelyn. »Lord Nestor, ich übertrage Euch die Aufgabe, gut über meinen Gefangenen zu wachen.«
»Und ich übertrage Euch die Aufgabe, dem Gefangenen einen Becher Wein und einen knusprigen Kapaun zu bringen, bevor er Hungers stirbt«, sagte Lennister. »Auch ein Mädchen wäre angenehm, aber ich vermute, das dürfte wohl zu viel verlangt sein.« Der Söldner Bronn lachte laut auf.
Lord Nestor überhörte das Geplänkel. »Ganz wie Ihr sagt,
Mylady, so soll es geschehen.« Dann erst sah er den Zwerg an. »Führt unseren Herrn von Lennister in eine Turmzelle und bringt ihm Speis und Trank.«
Catelyn verließ ihren Onkel und die anderen, als man Tyrion Lennister fortführte, dann folgte sie dem Bastardmädchen durch die Burg. Zwei Maultiere warteten im oberen Hof, gesattelt und bereit. Mya half ihr auf eines von beiden, während ein Wachmann im himmelblauen Mantel das schmale Seitentor öffnete. Dahinter lagen dichter Wald aus Kiefern und Fichten und der Berg wie eine schwarze Wand, doch gab es Stufen, tief in den Stein gemeißelt, die in den Himmel hineinführten. »Manchem fällt es leichter, wenn er die Augen schließt«, erklärte Mya, als sie die Maultiere durch das Tor in den dunklen Wald führte. »Wer sich fürchtet und wem schwindlig wird, der hält sein Maultier gelegentlich zu fest. Das mögen sie nicht.«
»Ich bin eine geborene Tully und mit einem Stark verheiratet«, sagte Catelyn. »Ich fürchte mich nicht so leicht. Willst du eine Fackel anzünden?« Die Stufen waren pechschwarz.
Das Mädchen zog ein Gesicht. »Fackeln blenden nur. In einer klaren Nacht wie heute genügen Mond und Sterne. Mychel sagt, ich hätte die Augen einer Eule.« Sie stieg auf und drängte ihr Maultier zur ersten Stufe. Catelyns Tier folgte aus eigenem Antrieb.
»Du hast schon einmal von Mychel gesprochen«, sagte Catelyn. Die Maultiere gaben den Schritt vor, langsam und gleichmäßig. Damit war sie vollkommen zufrieden.
»Mychel ist mein Liebster«, erzählte Mya. »Mychel Rotfest. Er ist Knappe bei Ser Lyn Corbray. Wir wollen heiraten, sobald er Ritter wird, im nächsten Jahr oder in dem danach. «
Sie klang so sehr wie Sansa, so glücklich und unschuldig mit ihren Träumen. Catelyn lächelte, doch das Lächeln war von Trauer gefärbt. Die Rotfests waren ein großer Name im Grünen Tal, in deren Adern noch das Blut der Ersten Menschen
floss. Seine Liebste mochte sie sein, aber kein Rotfest würde je ein Bastardmädchen heiraten. Seine Familie würde eine angemessenere Partie für ihn finden, eine Corbray oder eine Waynwald oder eine Rois oder vielleicht die Tochter einer höherstehenderen Familie außerhalb des Tales. Falls Mychel mit diesem Mädchen überhaupt zu Bette ging, dann sicher auf der falschen Seite des Lakens.
Der Aufstieg war leichter, als Catelyn zu hoffen gewagt hatte. Die Bäume standen eng, beugten sich über den Pfad und bildeten ein raschelndes, grünes Dach, das selbst den Mond aussperrte, sodass es schien, als kämen sie durch einen langen, schwarzen Tunnel. Doch die Maulesel gingen sicher und unermüdlich voran, und Mya Stein schien tatsächlich mit Nachtaugen gesegnet. Sie schleppten sich bergan, bahnten sich auf der Felswand einen Weg hinauf, folgten den Stufen, die sich drehten und wendeten. Eine dicke Schicht herabgefallener Nadeln bedeckte den Pfad, sodass die Hufe ihrer Maulesel nur leise auf dem Stein zu hören waren. Die Stille beruhigte sie, und das sanfte Wiegen ließ sie auf ihrem Sattel
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