Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
handeln. Wir …«
»Nicht vor dem Kleinen«, unterbrach Lysa sie. »Er ist von zartem Wesen, nicht wahr, mein Liebling?«
»Der Junge ist Lord über Hohenehr und Hüter des Grünen Tales«, erinnerte Catelyn sie, »und jetzt ist nicht die Zeit für Zartgefühl. Ned glaubt, es könnte zum Krieg kommen.«
»Still!« , fuhr Lysa sie an. »Du ängstigst den Jungen.« Der kleine Robert warf einen hastigen Blick über seine Schulter auf Catelyn und begann zu zittern. Seine Puppe fiel zu Boden, und er presste sich an seine Mutter. »Hab keine Angst, mein süßer Liebling«, flüsterte Lysa. »Mutter ist da, dir wird nichts geschehen.« Sie öffnete ihre Robe und nahm eine blasse, schwere Brust hervor. Eifrig griff der Junge danach, vergrub sein Gesicht an ihrem Busen und begann zu nuckeln. Lysa streichelte sein Haar.
Catelyn fehlten die Worte. Jon Arryns Sohn, dachte sie ungläubig. Ihr eigener Säugling fiel ihr ein, der dreijährige Rickon, halb so alt und fünf Mal so wild wie dieser Junge. Kein Wunder, dass die Lords im Tal ratlos waren. Zum ersten Mal verstand sie, wieso der König versucht hatte, der Mutter das Kind zu nehmen, um es bei den Lennisters aufziehen zu lassen …
»Hier sind wir sicher«, sagte Lysa. Ob zu ihr oder zu dem Jungen, konnte Catelyn nicht entscheiden.
»Sei nicht dumm«, sagte Catelyn, denn in ihr stieg die Wut hoch. »Niemand ist sicher. Falls du glaubst, dass die Lennisters dich vergessen, weil du dich hier versteckst, bist du einem traurigen Irrtum erlegen.«
Lysa hielt ihrem Jungen mit der Hand das Ohr zu. »Selbst wenn man eine Armee durch die Berge und das Bluttor bringen könnte, bleibt Hohenehr uneinnehmbar. Du hast es selbst gesehen. Kein Feind kann uns hier oben erreichen.«
Catelyn hätte sie am liebsten geohrfeigt. Onkel Brynden hatte sie zu warnen versucht, das fiel ihr ein. »Keine Burg ist uneinnehmbar.«
»Diese ist es«, beharrte Lysa. »Alle sagen es. Nur bleibt die Frage: Was soll ich mit dem Gnom tun, den du mir gebracht hast?«
»Ist er ein böser Mann?«, fragte der Lord über Hohenehr, und die Brust seiner Mutter glitt aus seinem Mund, der Nippel feucht und rot.
»Ein sehr böser Mann«, erklärte Lysa ihm, während sie sich bedeckte, »aber Mutter lässt nicht zu, dass er ihrem kleinen Liebling etwas antut.«
»Lass ihn fliegen«, schlug Robert eifrig vor.
Lysa streichelte ihrem Sohn das Haar. »Vielleicht tun wir das«, murmelte sie. »Vielleicht tun wir genau das.«
EDDARD
Er fand Kleinfinger im Schankraum des Bordells, wo er liebenswürdig mit einer großen, eleganten Frau plauderte, die ein Federkleid auf ihrer Haut trug und schwarz wie Tinte war. Am Kamin amüsierte sich Heward mit einer prallbrüstigen Hure beim Pfänderspiel. Es machte den Eindruck, als hätte er bislang seinen Gürtel, den Umhang, das Kettenhemd und seinen rechten Stiefel verloren, während das Mädchen das Unterhemd bis zur Hüfte aufgeknöpft hatte. Jory Cassel stand mit schiefem Lächeln auf dem Gesicht neben einem regenverschleierten Fenster, beobachtete Heward und genoss den Anblick.
Ned blieb am Fuß der Treppe stehen und zog seine Handschuhe über. »Es wird Zeit zu gehen. Ich habe meine Angelegenheiten hier erledigt.«
Heward sprang auf und sammelte eilig seine Sachen zusammen. »Wie Ihr wünscht, Mylord«, sagte Jory. »Ich werde Wyl helfen, die Pferde zu holen.« Er machte sich zur Tür auf.
Kleinfinger ließ sich Zeit beim Abschiednehmen. Er küsste die Hand der schwarzen Frau, flüsterte einen Scherz, worauf sie laut lachte, und schlenderte zu Ned herüber. »Eure Angelegenheiten«, sagte er leichthin, »oder Roberts? Es heißt, die Hand träume des Königs Träume, spräche mit des Königs Stimme und herrsche mit des Königs Schwert. Bedeutet das, Ihr fickt auch mit des Königs …«
»Lord Baelish«, unterbrach ihn Ned, »Ihr nehmt Euch zu viel heraus. Ich bin nicht undankbar für Eure Hilfe. Ohne Euch hätten wir vielleicht Jahre gebraucht, um dieses Bordell
zu finden. Es bedeutet aber nicht, dass ich die Absicht habe, Euren Spott zu erdulden. Und ich bin nicht mehr die Rechte Hand des Königs.«
»Der Schattenwolf muss ein reizbares Tier sein«, erwiderte Kleinfinger mit scharfem Zug um den Mund.
Warmer Regen prasselte vom sternenlosen, schwarzen Himmel herunter, als sie zu den Ställen gingen. Ned zog die Kapuze seines Umhangs hoch. Jory führte sein Pferd heraus. Der junge Wyl folgte ihm mit Kleinfingers Stute an der Hand, während er mit der anderen an
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