Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
schlachte Euch wie Aerys, wenn es sein muss, aber es wäre mir lieber, wenn Ihr mit einer Klinge in der Hand
sterbt.« Er warf Kleinfinger einen kühlen, verächtlichen Blick zu. »Lord Baelish, ich würde schleunigst das Weite suchen, wenn ich keine Blutflecken auf meine kostspieligen Kleider bekommen wollte.«
Kleinfinger musste nicht gedrängt werden. »Ich werde die Stadtwache holen«, versprach er Ned. Die Reihe der Lennisters teilte sich, um ihn durchzulassen, und schloss sich dann hinter ihm. Kleinfinger gab seiner Stute die Fersen und verschwand um eine Ecke.
Neds Männer hatten ihre Schwerter gezogen, doch standen sie drei Mann gegen zwanzig. Augenpaare stierten aus Fenstern und Türen, aber niemand wollte eingreifen. Seine Leute waren zu Pferd, die Lennisters zu Fuß, abgesehen von Jaime selbst. Ein Angriff mochte ihnen die Freiheit bringen, nur schien es Eddard Stark, als müsse es eine sicherere Taktik geben. »Tötet mich«, warnte er den Königsmörder, »und Catelyn wird ganz sicher Tyrion erschlagen.«
Jaime Lennister bohrte mit dem vergoldeten Schwert, welches schon das Blut des letzten Drachenkönigs gekostet hatte, an Neds Brust herum. »Würde sie? Die edle Catelyn Tully von Schnellwasser eine Geisel töten? Ich glaube … kaum.« Er seufzte. »Nur bin ich nicht gewillt, das Leben meines Bruders auf die Ehre einer Frau zu bauen.« Jaime schob das goldene Schwert in seine Scheide. »Daher werde ich Euch wohl zu Robert laufen lassen, damit Ihr ihm erzählt, dass ich Euch einen Schrecken eingejagt habe. Ich frage mich, ob es ihn kümmert. « Jaime strich mit den Fingern durch sein nasses Haar und riss sein Pferd herum. Als er jenseits der Reihe von Kriegern war, sah er seinen Hauptmann an. »Tregar, sorgt dafür, dass Lord Stark nicht zu Schaden kommt.«
»Wie Ihr wünscht, M’lord.«
»Dennoch … wir würden nicht wollen, dass er gänzlich unbeschadet davonkommt, also«, durch Nacht und Regen sah Ned das Weiß in Jaimes Lächeln, »tötet seine Männer.«
»Nein!« , schrie Ned Stark und griff nach seinem Schwert. Jaime galoppierte bereits die Straße hinab, als er Wyl rufen
hörte. Männer kamen von allen Seiten. Ned ritt einen davon nieder, schlug auf Phantome in roten Umhängen ein, die vor ihm auseinanderwichen. Jory Cassel gab seinem Pferd die Sporen und griff an. Ein eisenbeschlagener Huf traf einen Gardisten der Lennisters mit ekelhaftem Knirschen im Gesicht. Ein zweiter Mann sprang zurück, und für einen Augenblick war Jory frei. Wyl fluchte, als sie ihn von seinem sterbenden Pferd zerrten, und Schwerter blitzten im Regen. Ned ritt eilig zu ihm, hieb sein Langschwert auf Tregars Helm. Der Schlag ließ seine Zähne knirschen. Taumelnd kam Tregar auf die Beine, sein löwenförmiger Helmschmuck war in zwei Teile gehauen, und Blut lief über sein Gesicht. Heward hackte auf die Hände ein, die an seinen Zügeln rissen, als ihn ein Speer im Bauch traf. Plötzlich war Jory unter ihnen, und roter Regen flog von seinem Schwert. »Nein!«, rief Ned. »Jory, fort! « Neds Pferd rutschte unter ihm aus und landete krachend im Schlamm. Es folgte ein Moment von blendendem Schmerz und dem Geschmack von Blut im Mund.
Er sah, wie sie auf die Beine von Jorys Pferd einschlugen und ihn zu Boden rissen, und Schwerter hoben sich und stießen herab, als sie sich um ihn drängten. Neds Pferd kam wieder auf die Beine, und er selbst versuchte aufzustehen, doch fiel er gleich wieder hin, erstickte einen Schrei. Er sah den gesplitterten Knochen, der aus seiner Wade ragte. Es war das Letzte, was er für lange Zeit sah. Der Regen fiel und fiel und fiel.
Als er die Augen wieder aufschlug, war Lord Eddard Stark allein mit seinen Toten. Sein Pferd kam heran, witterte den üblen Gestank von Blut und galoppierte davon. Ned begann, sich durch den Schlamm zu schleppen, und musste die Zähne zusammenbeißen, so stark war der Schmerz in seinem Bein. Es schien Jahre zu dauern. Gesichter begafften ihn aus kerzenbeschienenen Fenstern, und Leute kamen aus Gassen und Türen, doch niemand wollte helfen.
Kleinfinger und die Stadtwache fanden ihn dort auf der Straße, wie er Jory Cassels Leiche in Armen hielt.
Irgendwo fanden die Goldröcke eine Trage, doch der Weg zurück zur Burg war ein Nebel aus Qualen, und mehr als einmal verlor Ned das Bewusstsein. Er erinnerte sich daran, den Roten Bergfried im ersten grauen Licht des Morgens erblickt zu haben. Der Regen hatte den dunklen, rosenfarbenen Stein der massiven Mauern mit
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