Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
Schwester würde alles verderben, ganz wie sie befürchtet hatte. »Sind doch alles nur Felder und Höfe und Herbergen.«
»Sind es nicht«, beharrte Arya stur. »Wenn du irgendwann mal mit uns kommen würdest, könntest du es sehen.«
»Ich hasse reiten«, sagte Sansa voller Inbrunst. »Man wird nur schmutzig und staubig und wund.«
Arya zuckte mit den Achseln. »Halt still«, fuhr sie Nymeria an. »Ich tu dir nicht weh.« Zu Sansa sagte sie: »Als wir über die Eng gekommen sind, habe ich sechsunddreißig Blumen gezählt, die ich noch nie gesehen hatte, und Mycah hat mir eine Löwenechse gezeigt.«
Sansa erschauerte. Zwölf Tage hatte die Überquerung der Eng gedauert; einen verschlungenen Damm waren sie durch endlosen, schwarzen Morast gerumpelt, und sie hatte jeden Augenblick gehasst. Die Luft war feucht und klamm gewesen, der Weg so schmal, dass sie am Abend kein richtiges Lager errichten konnten und mitten auf dem Königsweg halten mussten. Dichtes Unterholz von halb ersoffenen Bäumen drängte sich um sie mit Ästen, von denen Schleier aus fahlem Schwamm tropften. Mächtige Blumen blühten im Morast und trieben auf Tümpeln mit stehendem Wasser, doch wenn man dumm genug war, den Damm zu verlassen, um sie zu pflücken, wartete dort Treibsand, der einen in die Tiefe zog. Schlangen beobachteten einen von den Bäumen, und Löwenechsen trieben halb sichtbar im Wasser wie schwarze Baumstämme mit Augen und Zähnen.
Natürlich konnte nichts von alledem Arya bremsen. Eines Tages kam sie zurück, grinste ihr Pferdegrinsen, das Haar zerzaust und ihre Kleider voller Schlamm, und hielt einen struppigen Strauß mit roten und grünen Blumen für ihren Vater im Arm. Sansa hoffte immer noch, er würde Arya sagen, sie solle sich wie das Mädchen von edler Geburt benehmen, das sie war, doch nie tat er es, umarmte sie nur und dankte ihr für die Blumen. Das machte alles noch schlimmer.
Dann stellte sich heraus, dass die roten Blumen Giftküsse hießen und Arya davon einen Ausschlag an den Armen bekam. Sansa hatte geglaubt, es wäre ihr eine Lektion gewesen, doch Arya lachte darüber, und am nächsten Tag rieb sie sich die Arme voller Schlamm, als wäre sie ein schlichtes Mädchen aus den Sümpfen, nur weil ihr Freund Mycah ihr gesagt hatte, dass es den Juckreiz hemmte. Überall an den Armen und auch an den Schultern hatte sie blaue Flecken, rote Striemen und verblassende grüngelbe Flecken, Sansa hatte sie gesehen, als sich ihre Schwester zum Schlafengehen ausgezogen hatte. Woher sie die hatte, wussten nur die sieben Götter.
Arya machte immer weiter, bürstete Nymerias Kletten aus dem Fell und plapperte von Dingen, die sie auf dem Weg nach Süden gesehen hatte. »Letzte Woche haben wir diesen unheimlichen Wachturm gefunden, und am Tag davor haben wir eine Herde von wilden Pferden gesehen. Du hättest sehen sollen, wie sie gelaufen sind, als sie Nymeria gewittert haben.« Die Wölfin wand sich in ihrem Griff, und Arya schimpfte mit ihr. »Hör auf damit, ich muss die andere Seite machen, du bist ganz schmutzig.«
»Du sollst die Kolonne nicht verlassen«, erinnerte Sansa sie. »Vater hat es gesagt.«
Arya zuckte mit den Achseln. »Ich war nicht weit. Außerdem war Nymeria die ganze Zeit bei mir. Und ich reite auch nicht immer weg. Manchmal macht es Spaß, einfach nur neben den Wagen zu reiten und sich mit den Leuten zu unterhalten. «
Sansa wusste alles von den Leuten, mit denen sich Arya gern unterhielt: Schildknappen und Stallburschen und Dienstmädchen, alte Männer und nackte Kinder, raubeinige fahrende Ritter von unbekannter Geburt. Arya freundete sich mit jedem an. Dieser Mycah war der Schlimmste, ein Schlachterjunge, dreizehn und wild, schlief im Fleischwagen und roch nach der Schlachtbank. Sein bloßer Anblick genügte, damit Sansa übel wurde, doch Arya schien seine Gesellschaft der ihren vorzuziehen.
Langsam ging Sansa die Geduld aus. »Du musst mitkommen«, erklärte sie ihrer Schwester entschieden. »Du kannst dich der Königin nicht verweigern. Septa Mordane wird dich erwarten.«
Arya überhörte sie. Sie riss fest an ihrer Bürste. Nymeria knurrte und machte sich beleidigt los. »Komm her zu mir!«
»Es gibt Zitronenkekse und Tee«, fuhr Sansa fort, ganz erwachsen und vernünftig. Lady strich an ihrem Bein entlang. Sansa kratzte ihr die Ohren, wie sie es mochte, und Lady hockte neben ihr und sah zu, wie Arya Nymeria jagte. »Wieso willst du ein stinkendes, altes Pferd reiten und wund
werden und
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