Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
mich also bereits verurteilt, ohne ein einziges Wort zu meiner Verteidigung gehört zu haben?« Mehr hatte er auch nicht erwartet. »Wird man mir wenigstens noch erlauben, zu sprechen und Zeugen aufzurufen?«
»Du hast keine Zeugen«, erinnerte sein Onkel ihn. »Tyrion, wenn du dich dieser Ungeheuerlichkeit schuldig gemacht hast, ist die Mauer ein besseres Schicksal, als du verdienst. Und solltest du tatsächlich unschuldig sein … ich weiß, im Norden wird gekämpft, aber trotzdem wirst du dort oben sicherer sein als in Königsmund, wie auch immer dieses Gerichtsverfahren ausgeht. Der Pöbel ist von deiner Schuld überzeugt. Wärst du so töricht, dich auf die Straße zu wagen, würde man dich in Stücke reißen.«
»Diese Vorstellung scheint Euch ja schrecklich zuzusetzen. «
»Du bist der Sohn meines Bruders.«
»Daran solltet Ihr vielleicht ihn mal erinnern.«
»Glaubst du, er würde dir erlauben, das Schwarz anzulegen, wenn du nicht von seinem eigenen und von Joannas Blut wärst? Tywin scheint dir ein hartherziger Mann zu sein, ich weiß, dabei ist er nicht hartherziger, als er sein muss. Unser eigener Vater war sanft und liebenswürdig, aber so schwach, dass seine Vasallen über ihn gespottet haben, wenn sie betrunken waren. Manche wagten sogar, ihm offen zu trotzen. Andere Lords haben sich Gold von uns geliehen und es nicht zurückgezahlt. Bei Hofe haben sie über die zahnlosen Löwen Witze gerissen. Selbst seine Geliebte hat ihn bestohlen. Eine Frau, die kaum besser war als eine Hure, und sie hat sich die Edelsteine meiner Mutter erschlichen! Tywin fiel die Aufgabe zu, die angestammte Stellung des Hauses Lennister wiederherzustellen. Und genauso fiel es ihm zu, dieses Reich zu regieren, als er kaum zwanzig Jahre alt war. Er hat diese schwere Bürde zwanzig Jahre lang getragen, und das hat ihm nur den Neid eines
irren Königs eingebracht. Statt der Ehre, die er verdient hat, musste er unzählige Beleidigungen über sich ergehen lassen, und trotzdem hat er den Sieben Königslanden Frieden, Reichtum und Gerechtigkeit geschenkt. Er ist ein gerechter Mann. Du wärest gut beraten, ihm zu vertrauen.«
Tyrion blinzelte ihn erstaunt an. Ser Kevan war ihm stets zuverlässig, unerschütterlich und sachlich vorgekommen; mit solchem Feuereifer hatte er ihn noch nie sprechen hören. »Ihr liebt ihn.«
»Er ist mein Bruder.«
»Ich … ich werde über Eure Worte nachdenken.«
»Denke sorgfältig darüber nach. Und schnell.«
In dieser Nacht dachte Tyrion an wenig anderes, doch am Morgen war er der Entscheidung, ob er seinem Vater vertrauen sollte, nicht näher gekommen. Ein Diener brachte ihm Haferbrei und Honig zum Frühstück, allerdings schmeckte er bei dem Gedanken an ein Geständnis nur bittere Galle. Bis ans Ende meiner Tage werden sie mich Sippenmörder nennen. Tausend Jahre lang und länger wird man sich meiner als des missgestalteten Zwerges erinnern, der seinen jungen Neffen bei dessen Hochzeitsfest vergiftet hat, sofern man sich überhaupt an mich erinnert. Das machte ihn so wütend, dass er Schüssel und Löffel quer durchs Zimmer schleuderte und den Haferbrei über die ganze Wand verteilte. Ser Addam Marbrand betrachtete die Bescherung neugierig, als er eintrat, um Tyrion zum Gericht zu eskortieren; immerhin besaß er genug Takt, sich nicht weiter danach zu erkundigen.
»Lord Varys«, verkündete der Herold, »Meister der Flüsterer. «
Gepudert, geschniegelt und nach Rosenwasser duftend knetete die Spinne fortwährend ihre Hände, während sie sprach. Er wäscht sich mein Leben ab, dachte Tyrion, während er dem voll Trauer vorgetragenen Bericht des Eunuchen lauschte, wie der Gnom geplant hatte, Joffrey dem Schutz des Bluthunds zu entreißen, und wie er mit Bronn über die Vorzüge eines Königs
Tommen gesprochen hatte. Halbwahrheiten sind mehr wert als echte Lügen. Und anders als die anderen konnte Varys Dokumente vorweisen, Pergamente, auf denen sorgfältig Bemerkungen, Einzelheiten, Daten und ganze Gespräche verzeichnet waren. Es waren so viele, dass ihre Verlesung den ganzen Tag andauerte. Und der Großteil davon verdammte Tyrion. Varys bestätigte seinen mitternächtlichen Besuch in Großmaester Pycelles Gemächern und den Diebstahl seiner Gifte und Tränke, bestätigte die Drohungen, die er bei jenem Abendessen gegen Cersei ausgesprochen hatte, er bestätigte schlicht und einfach alles außer dem Giftmord selbst. Als Prinz Oberyn ihn fragte, woher er dies alles wissen könne, ohne bei
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