Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
ihn erschlagen hat.«
Noch mehr Geister, dachte Brienne. »Ich suche nach meiner Schwester, einer hübschen Jungfrau von dreizehn. Vielleicht habt Ihr sie gesehen?«
»Ich habe keine Jungfrau gesehen, keine schöne und keine schäbige.«
Niemand hat sie gesehen. Trotzdem musste sie fragen.
»Mutons Tochter, die ist eine Jungfrau«, fuhr der Mann fort. »Jedenfalls bis zum Betten. Die Eier hier sind für ihre Hochzeit. Die von ihr und Tarlys Sohn. Die Köche brauchen Eier für Kuchen.«
»Sicher.« Lord Tarlys Sohn. Der kleine Dickon wird vermählt. Sie versuchte sich zu entsinnen, wie alt er war; acht oder zehn, glaubte sie. Brienne war mit sieben verlobt worden, mit einem Knaben, der drei Jahre älter war als sie, Lord Carons jüngerem Sohn, einem schüchternen Jungen mit einem Muttermal über dem Mund. Sie waren sich nur einmal begegnet, und zwar bei ihrem Verlöbnis. Zwei Jahre später war er tot, ihn hatte die gleiche schwere Erkältung hingerafft, der auch Lord und Lady Caron und ihre Töchter zum Opfer gefallen waren. Wäre er nicht gestorben, hätten sie innerhalb eines Jahres nach ihrem ersten Erblühen geheiratet, und ihr ganzes Leben wäre
anders verlaufen. Sie würde jetzt nicht hier in der Rüstung eines Mannes herumlaufen und ein Schwert tragen und dem Kind einer toten Frau nachjagen. Vermutlich wäre sie in Nachtlied, würde ein eigenes Kind wickeln und ein anderes stillen. Der Gedanke war Brienne nicht neu. Er machte sie immer ein wenig traurig, gleichzeitig jedoch war sie auch ein bisschen erleichtert.
Die Sonne verbarg sich halb hinter einer Wolkenbank, als sie die verkohlten Bäume hinter sich ließen und Jungfernteich und die tiefen Wasser der Bucht dahinter vor sich sahen. Die Stadttore waren wieder aufgebaut und verstärkt worden, erkannte Brienne auf den ersten Blick, und auf den rosafarbenen Steinmauern wachten wieder Armbrustschützen. Über dem Torhaus flatterte König Tommens königliches Banner, ein schwarzer Hirsch und ein goldener Löwe im Kampf auf geteiltem Feld in Gold und Purpurrot. Andere Banner zeigten den Jägersmann der Tarlys, doch der rote Lachs des Hauses Muton wehte nur über der Burg auf dem Hügel.
Am Fallgitter trafen sie auf ein Dutzend Wachen, die mit Hellebarden bewaffnet waren. Ihren Abzeichen zufolge waren sie Soldaten aus Lord Tarlys Heer, wenn sie auch nicht direkt zu seinen Männern gehörten. Sie sah zwei Zentauren, einen Donnerkeil, einen blauen Käfer und einen grünen Pfeil, jedoch nicht den schreitenden Jägersmann von Hornberg. Ihr Feldwebel hatte einen Pfau auf der Brust, dessen leuchtend bunter Schwanz in der Sonne ausgeblichen war. Als die Bauern ihren Karren anhielten, stieß er einen Pfiff aus. »Was ist denn das? Eier?« Er nahm sich eins, warf es in die Luft, fing es auf und grinste. »Wir nehmen sie.«
Der alte Mann zeterte. »Unsere Eier sind für Lord Muton. Für die Hochzeitskuchen und so.«
»Sollen deine Hennen noch mehr legen. Ich habe seit einem halben Jahr kein Ei mehr gegessen. Hier, damit du nicht sagen kannst, du wärst nicht bezahlt worden.« Er warf dem alten Mann eine Hand voll Heller vor die Füße.
Die Frau des Bauern meldete sich zu Wort. »Das reicht nicht«, sagte sie. »Nicht einmal annähernd.«
»Ich denke doch«, erwiderte der Feldwebel. »Für die Eier und für dich. Bringt sie her, Jungs. Sie ist zu jung für diesen alten Kerl.« Zwei der Wachen lehnten die Hellebarden an die Wand und zerrten die sich heftig sträubende Frau vom Karren weg. Der Bauer sah mit grauem Gesicht zu, wagte jedoch nicht, sich zu rühren.
Brienne trieb ihre Stute vor. »Lasst sie los.«
Ihre Stimme ließ die Wachen lange genug innehalten, dass sich die Bauersfrau befreien konnte. »Misch dich hier nicht ein«, fuhr der eine Mann Brienne an. »Hüte deine Zunge, Mädel.«
Stattdessen zog Brienne das Schwert.
»Aha«, meinte der Feldwebel, »blanker Stahl. Scheint mir, ich rieche einen Geächteten. Weißt du, was Lord Tarly mit Geächteten anstellt?« Noch immer hielt er das Ei, das er vom Wagen genommen hatte. Seine Hand schloss sich darum, und der Dotter quoll zwischen seinen Fingern hervor.
»Ich weiß, was Lord Randyll mit Geächteten anstellt«, antwortete Brienne. »Und auch, was er mit Frauenschändern macht.«
Sie hatte gehofft, der Name würde sie einschüchtern, doch der Feldwebel schüttelte lediglich das Ei von der Hand und gab seinen Männern ein Zeichen, Brienne zu umstellen. Plötzlich war sie von Stahlspitzen umzingelt.
Weitere Kostenlose Bücher