Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
leichtere dazu, daher geriet die Bucht selten außer Sicht. Die Städtchen und Dörfer entlang der Küste wurden kleiner und seltener, je weiter sie kamen. Bei Einbruch der Nacht suchten sie ein Gasthaus auf. Krabb teilte sich das Gemeinschaftsbett mit anderen Reisenden, während Brienne für sich und Podrick ein Zimmer nahm. »Billiger wäre es, wenn wir uns alle ein Bett teilen würden, M’lady«, meinte der Flinke Dick. »Ihr könntet Euer Schwert zwischen uns legen. Der alte Dick ist ein harmloser Kerl. Edel wie ein Ritter und so ehrlich wie der Tag lang ist.«
»Die Tage werden kürzer«, hielt Brienne dagegen.
»Nun, mag sein. Wenn Ihr mir im Bett nicht vertraut, könnte ich mich einfach auf dem Fußboden zusammenrollen, M’lady.«
»Nicht auf meinem Fußboden.«
»Man könnte fast denken, Ihr traut mir nicht.«
»Vertrauen muss man sich verdienen. Wie Gold.«
»Wie Ihr meint, M’lady«, gab Krabb zurück, »aber oben im Norden, wo die Straße endet, müsst Ihr Dick sowieso vertrauen. Wenn ich mir Euer Gold mit vorgehaltenem Schwert holen wollte, wer sollte mich aufhalten?«
»Ihr habt kein Schwert. Ich schon.«
Sie schloss die Tür zwischen ihnen und lauschte, bis sie
sicher war, dass er gegangen war. Wie flink Dick auch sein mochte, er war nicht Jaime Lennister, nicht die Irre Maus, nicht einmal Umfried Wedelstab. Er war dürr und schlecht ernährt; seine Rüstung bestand lediglich aus einem verbeulten Halbhelm mit Rostflecken. Anstelle eines Schwertes trug er einen alten, schartigen Dolch. Solange sie wach war, stellte er keine Gefahr für sie dar. »Podrick«, sagte sie, »es wird eine Zeit kommen, in der wir keinen Schutz in Gasthäusern mehr finden. Ich vertraue unserem Führer nicht. Wenn wir im Freien lagern, kannst du mich bewachen, während ich schlafe?«
»Wach bleiben, Mylady? Ser.« Er dachte nach. »Ich habe ein Schwert. Falls Krabb versucht, Euch etwas anzutun, kann ich ihn töten.«
»Nein«, erwiderte sie streng. »Du wirst nicht versuchen, gegen ihn zu kämpfen. Beobachte ihn nur, solange ich schlafe, und weck mich, falls er etwas Verdächtiges unternimmt. Ich bin immer sofort wach, wie du feststellen wirst.«
Krabb zeigte sein wahres Gesicht am nächsten Tag, als sie anhielten, um die Pferde zu tränken. Brienne trat hinter ein paar Büsche, um ihre Blase zu leeren. Während sie dort hockte, hörte sie Podrick sagen: »Was macht Ihr da? Geht weg dort!« Sie brachte ihr Geschäft zu Ende, zog sich die Hose hoch und kehrte zur Straße zurück, wo sich der Flinke Dick Mehl von den Fingern wischte. »In meinen Satteltaschen findet Ihr keine Drachen«, erklärte sie ihm. »Ich trage mein Gold am Körper.« Ein Teil befand sich in dem Beutel an ihrem Gürtel, der Rest war in zwei verborgene Taschen in ihre Kleidung eingenäht. Das pralle Säckchen in ihrer Satteltasche war mit großen und kleinen Kupferstücken gefüllt, mit halben und ganzen Hellern, mit Groschen und Sternen … und mit feinem weißem Mehl, wodurch der Beutel noch praller wirkte. Das Mehl hatte sie bei dem Koch in den Sieben Schwertern gekauft, an dem Morgen, an dem sie von Dämmertal aufgebrochen war.
»Dick hat es nicht böse gemeint, M’lady.« Er wedelte mit den mehligen Fingern, um zu zeigen, dass er keine Waffe in
der Hand hielt. »Ich wollte nur nachschauen, ob Ihr die Drachen habt, die Ihr mir versprochen habt. Die Welt ist voller Lügner, die einen ehrlichen Mann jederzeit betrügen würden. Nicht dass Ihr einer davon wärt.«
Brienne hoffte nur, dass er sich als besserer Führer erweisen würde denn als Dieb. »Wir sollten besser weiterreiten.« Sie stieg auf ihr Pferd.
Dick sang häufig, während sie unterwegs waren; nie ein ganzes Lied, nur eine Zeile von diesem und eine Strophe von jenem. Sie argwöhnte, dass er sich bei ihr einschmeicheln wollte, damit sie unvorsichtig wurde. Manchmal versuchte er, sie und Podrick zum Mitsingen zu bewegen, jedoch ohne Erfolg. Der Junge war zu schüchtern und gehemmt, und Brienne sang nie. Habt Ihr für Euren Vater gesungen?, hatte Lady Stark sie einmal in Schnellwasser gefragt. Habt Ihr für Lord Renly gesungen? Das hatte sie nicht getan, niemals, obschon sie gewollt hätte … gewollt hätte …
Wenn er nicht sang, redete der Flinke Dick und unterhielt sie mit Geschichten über das Klauenhorn. Jedes düstere Tal habe einen eigenen Lord, sagte er, und sie alle einte nur das Misstrauen gegenüber Außenstehenden. In ihren Adern floss stark und dunkel das Blut der
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