Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
kurz im Vergleich mit dem richtigen Ser Klarenz. Wir sind alle gute Drachenmänner, hier oben auf dem Klauenhorn.«
Je weiter sie nach Nordosten kamen, desto weniger Verkehr herrschte auf der Straße, bis sie schließlich keine Gasthäuser mehr fanden. Inzwischen bestand die Küstenstraße mehr aus
Unkraut als aus Furchen. In dieser Nacht fanden sie Obdach in einem Fischerdorf. Brienne zahlte den Bewohnern ein paar Kupferstücke dafür, dass sie in einer Scheune übernachten durften. Den Heuboden beanspruchte sie für sich und Podrick und zog die Leiter hinter ihnen hoch.
»Wenn Ihr mich hier unten allein lasst, könnte ich verflucht leicht Eure Pferde stehlen«, rief Krabb von unten hoch. »Am besten nehmt Ihr die Tiere mit nach oben, M’lady.« Da sie ihn nicht beachtete, fuhr er fort: »Heute Nacht wird es regnen. Heftig und kalt regnen. Ihr und Pod werdet es warm und behaglich haben, und der arme alte Dick wird hier unten ganz allein zittern.« Er schüttelte den Kopf, murmelte vor sich hin und bereitete sich ein Lager auf einem Heuhaufen. »Ich habe noch nie so eine misstrauische Jungfrau wie Euch gesehen.«
Brienne wickelte sich in ihren Mantel, Podrick gähnte neben ihr. Ich war nicht immer so wachsam, hätte sie Krabb zurufen können. Als ich noch ein kleines Mädchen war, habe ich geglaubt, alle Männer wären so edel wie mein Vater. Sogar die Männer, die ihr sagten, was für ein hübsches Mädchen sie sei, wie groß und klug, wie anmutig, wenn sie tanzte. Erst Septa Roelle hatte ihr die Augen geöffnet. »Das sagen sie alle nur, um die Gunst deines Vaters zu erringen«, hatte die Frau zu ihr gesagt. »In deinem Spiegel siehst du die Wahrheit, die dir die Zungen der Männer verschweigen.« Diese Lektion hatte ihr hart zugesetzt, sie hatte geweint, doch sie war ihr in Harrenhal zustattengekommen, als Ser Hylo und seine Freunde ihr Spielchen mit ihr getrieben hatten. In dieser Welt muss eine Jungfrau misstrauisch sein, sonst bleibt sie nicht lange jungfräulich, dachte sie, während es zu regnen begann.
Im Buhurt von Bitterbrück hatte sie sich ihre Freier vorgenommen und einen nach dem anderen verprügelt. Ferkel und Ambros und Buschig, Mark Mullendor und Raymond Neinland und Will den Storch. Sie hatte Harry Säger niedergeritten und Robin Töpfers Helm zerschmettert, wobei sie ihm eine hässliche Narbe zugefügt hatte. Und nachdem der Letzte zu
Boden gegangen war, hatte die Mutter sie zu Connington geführt. Diesmal hatte Ser Ronnet ein Schwert und keine Rose in der Hand. Jeder Hieb, den sie austeilte, war süßer als ein Kuss.
Loras Tyrell war an diesem Tag der Letzte gewesen, der ihren Zorn zu spüren bekam. Er hatte ihr nie den Hof gemacht, sie eigentlich kaum je angeschaut, doch er trug an diesem Tag drei goldene Rosen auf dem Schild, und Brienne hasste Rosen. Der Anblick hatte ihr die Kraft der Wut verliehen. In dieser Nacht träumte sie von jenem Kampf und davon, wie Ser Jaime ihr einen Regenbogenmantel um die Schultern legte.
Am nächsten Morgen regnete es immer noch. Beim Frühstück schlug der Flinke Dick vor, dass sie abwarten sollten, bis es aufhörte.
»Wann wird das sein? Morgen? In vierzehn Tagen? Wenn es wieder Sommer wird? Nein. Wir haben Mäntel und noch viele Meilen vor uns.«
Der Regen dauerte den ganzen Tag an. Der schmale Weg, dem sie folgten, verwandelte sich rasch in Schlamm. Die Bäume, die sie sahen, waren kahl, im steten Niederschlag bildete das gefallene Laub eine glitschige braune Masse. Trotz des Eichhörnchenfellfutters ließ Dicks Mantel die Nässe durch, und Brienne sah, dass er zitterte. Einen Moment lang verspürte sie Mitleid mit dem Mann. Er hat nicht gut gegessen, das ist offensichtlich. Sie fragte sich, ob es wirklich eine Schmugglerbucht oder eine Burgruine namens das Gewisper gab. Hungrige Männer begehen verzweifelte Taten. All dies diente vielleicht nur dazu, sie zu täuschen. Der Argwohn schlug ihr auf den Magen.
Eine Zeit lang schien es, als sei das unablässige Prasseln des Regens das einzige Geräusch auf der Welt. Der Flinke Dick trottete achtlos dahin. Sie beobachtete ihn genau und sah, wie er den Rücken beugte, als würde er in dieser gebückten Haltung im Sattel trockener bleiben. Diesmal fanden sie bei Einbruch der Dunkelheit kein Dorf. Auch gab es keine Bäume, die
Schutz gewährt hätten. Also mussten sie ihr Lager zwischen einigen Felsen aufschlagen, fünfzig Schritte oberhalb der Flutlinie. Die Felsen würden wenigstens den Wind abhalten.
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