Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
Menschen wissen, die einst hier gelebt haben.«
»Und was hast du getan, Prinzessin?«, fragte Sprenkel-Sylva.
Ich habe neben dem Brunnen gesessen und so getan, als habe mich ein Raubritter verschleppt, um mit mir anzustellen, was immer er möchte, dachte sie, ein großer, harter Mann mit schwarzen Augen und spitzem Haaransatz. Die Erinnerung erfüllte sie mit Beklommenheit. »Ich habe geträumt«, antwortete sie, »und als die Sonne unterging, saß ich im Schneidersitz zu Füßen meines Onkels und habe um eine Geschichte gebettelt.«
»Prinz Oberyn kannte jede Menge Geschichten.« Garin hatte sie an jenem Tag begleitet; er war Ariannes Milchbruder, und sie waren unzertrennlich gewesen, noch bevor sie laufen konnten. »Er hat von Fürst Garin erzählt, daran erinnere ich mich, von dem, nach dem ich benannt wurde.«
»Garin der Große«, meinte Drey, »das Wunder von der Rhoyne.«
»Genau der. Er ließ Valyria erbeben.«
»Sie bebten«, erwiderte Ser Gerold, »und dann brachten sie ihn um. Wenn ich eine Viertelmillion Männer in den Tod führen würde, würden sie mich dann auch Gerold den Großen nennen?« Er schnaubte. »Ich bleibe lieber Dunkelstern, denke ich. Zumindest gehört der Name mir.« Er zog sein Langschwert, setzte sich auf den Rand des versiegten Brunnens und begann, die Klinge mit einem Ölstein abzuziehen.
Arianne beobachtete ihn wachsam. Er wäre hochgeboren genug, um einen würdigen Gemahl abzugeben, dachte sie. Vater würde zwar an meinem Verstand zweifeln, aber unsere Kinder wären so schön wie die Drachenlords. Wenn es einen ansehnlicheren Mann in Dorne gab, so kannte sie ihn nicht. Ser Gerold Dayn hatte eine Adlernase, hohe Wangenknochen und ein energisches Kinn. Sein Gesicht war glatt rasiert, doch das dichte Haar fiel wie ein silberner Gletscher bis zum Kragen herab, von einem mitternachtsschwarzen Streifen geteilt. Um den Mund hat er allerdings
einen grausamen Zug, und seine Zunge ist noch grausamer. Wie er so dasaß, sich in der untergehenden Sonne als Silhouette abzeichnete und seinen Stahl schärfte, sahen seine Augen schwarz aus, doch sie hatte sie schon in besserem Licht gesehen und wusste, dass sie violett waren. Dunkelviolett. Dunkel und zornig.
Er musste ihren Blick gespürt haben, denn er blickte von seinem Schwert auf, sah sie an und lächelte. Arianne fühlte Hitze in ihrem Gesicht aufsteigen. Ich hätte ihn nicht mitnehmen sollen. Wenn er mir in Arys’ Gegenwart einen solchen Blick zuwirft, wird Blut in den Sand fließen. Wessen, vermochte sie nicht zu sagen. Der Tradition nach waren die Männer der Königsgarde die besten Ritter der Sieben Königslande … doch Dunkelstern war Dunkelstern.
In den dornischen Nächten wurde es auf den Sanden kalt. Garin sammelte Holz, ausgeblichene weiße Äste von Bäumen, die vor hundert Jahren vertrocknet und abgestorben waren. Drey schichtete das Brennmaterial auf und pfiff, während er mit einem Feuerstein Funken schlug.
Nachdem der Zunder aufgeflammt war, saßen sie um das Feuer und ließen einen Schlauch mit Sommerwein herumgehen … nur Dunkelstern zog es vor, ungesüßtes Zitronenwasser zu trinken. Garin erzählte angeregt die neuesten Geschichten aus der Plankenstadt an der Mündung des Grünbluts, wo die Waisen des Flusses mit den Karacken, Koggen und Galeeren von jenseits der Meerenge Handel trieben. Wenn man den Seeleuten Glauben schenken durfte, war der Osten voller Wunder und Schrecken: eine Sklavenrevolte in Astapor, Drachen in Qarth, die Graue Pest in Yi Ti. Auf den Basiliskeninseln hatte sich ein neuer Korsarenkönig erhoben und Hochholzstadt geplündert, und in Qohor hatten die Anhänger der Roten Priester einen Aufstand angezettelt und versucht, die Schwarze Ziege niederzubrennen. »Und die Goldene Kompanie hat ihren Vertrag mit Myr gebrochen, gerade als die Myrischen in den Krieg gegen Lys ziehen wollten.«
»Die Lyseni haben sie gekauft«, vermutete Sylva.
»Schlaue Lyseni«, meinte Drey, »schlaue, feige Lyseni.«
Arianne wusste es besser. Wenn Quentyn die Goldene Kompanie hinter sich hat … »Unter Dem Gold Der Bittere Stahl«, lautete ihr Schlachtruf. Du wirst bitteren Stahl und mehr brauchen, Bruder, wenn du mich verdrängen willst. Arianne war in Dorne beliebt, Quentyn hingegen war kaum bekannt. Daran konnte auch eine Söldnerkompanie nichts ändern.
Ser Gerold erhob sich. »Ich denke, ich gehe mal pissen.«
»Passt auf, wohin Ihr den Fuß setzt«, warnte Drey. »Es ist schon eine Weile her, seit Prinz
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