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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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unterschrieben.
Wenn tatsächlich etwas zu erreichen war, schaffte er das auch ohne mich. Ich glaubte allemal nicht an einen schnellen Erfolg. Wie sollte das gehen? Etwas in mir lachte verächtlich auf. An einem Tag? In einer Woche? Auf Sizilien? Niemals! Da mussten Bemerkungen zufällig fallen gelassen, vertrauliche Informationen eingeholt, alte Verpflichtungen ausgegraben werden. Wer schuldete dem Notar noch einen Gefallen, wer hatte eine Cousine, die beim Jugendamt beschäftigt war? Das alles brauchte Geduld und Zeit. Claudio war eine harmlose Plaudertasche und gleichzeitig ein Angeber, der sich gerne mit den Verdiensten anderer schmückte. So groß, wie er vorgab, war der Einfluss seines Vaters sicher nicht.
    Langsam ging ich los, doch ich fühlte mich auf einmal so schwach, dass ich sogar schon leicht taumelte. Ich musste etwas essen! Auf der Suche nach einer Bar lief ich hungrig durch die Gassen - doch auf einmal verlangsamte sich mein Schritt ganz von selbst. Ich hatte etwas gesehen und wusste, während ich weiterlief, schon nicht mehr, was mich hatte stocken lassen. Ich blieb stehen. Kehrte um. Da - an der Hauswand: »Tappezzeria Bellone«. Die verwitterte Schrift zog sich über die ganze Breite der Fassade. Eine Polsterei, genau wie Leonardo mir erzählt hatte. Sonderbar, den eigenen Namen so groß geschrieben zu sehen. Doch die Wäscherei, die hier laut Leonardo eingezogen war, gab es nicht mehr. In den Schaufenstern lagen Holzleisten, gold, silbern, gewunden und verschnörkelt. Ein Rahmenmacher. Behutsam drückte ich die Klinke hinunter und trat ein, über mir bimmelte ein Glockenspiel. In der Werkstatt roch es nach Holz, Leim und Papier, Leisten, Kisten mit Kanthölzern, ein staubiger Spiegel lehnte an einer Wand.

    »Es ist noch nicht fertig, Sie können es nicht abholen. Es ist auch gerade niemand da«, sagte eine Stimme. Ich drehte mich um. Der alte Mann saß in der Ecke, er war ganz steif und altersfleckig, wie die Leinwand eines vergessenen Gemäldes.
    »Buongiorno« , sagte ich überrascht. »Ich wollte nicht stören und auch nichts abholen.«
    Er hatte mich vielleicht gar nicht gehört, sein Gesichtsausdruck blieb neutral. Ich schaute mich um. Unter einer Kreissäge lag ein Haufen Sägespäne. Der Kalender an der Wand zeigte immer noch Padre Pio, das Bild vom Januar. »Die Polsterei ›Bellone‹ ist wohl schon lange nicht mehr in diesen Räumen...«
    Er unterbrach mich: »Bellone! Ah!«
    Gespannt ging ich einen Schritt näher. An was würde er sich erinnern? Was konnte er mir über die Familie meines Vaters erzählen?
    »Bellone! Ah!«, wiederholte er, die Worte abfällig hervorspuckend. Und dann sagte er nichts mehr. Starrte einfach auf seine hageren Beine, die wie zwei in schwarzen Stoff eingeschlagene Leisten nebeneinander auf der Stuhlfläche lagen. Nach einer Minute hielt ich es nicht mehr aus: »Sie kannten die Bellones wahrscheinlich.« Schweigen. Ich startete einen letzten Versuch, einen mickrigen Testballon:
    »Darum wissen Sie auch, warum es die Polsterei nicht mehr gibt!«
    »Wer will das wissen?«, setzte er mit einem Male an, seine Stimme heiser. »Wer sind Sie?«
    »Ich bin...« Irgendetwas hielt mich zurück, dem Alten zu erzählen, dass ich zu der Familie der Bellones gehörte. »Ich kenne den Sohn, Salvatore.«

    »Salvatore! Totó! Ah!«
    Abfälliges Schnauben. Pause. Ich lächelte ihn an.
    Die wässrigen Augen des Alten fixierten mich und wurden lebhafter, er beugte sich vor. »Was für ein Tag ist heute?«
    »Dienstag.«
    »Dienstag?« Er seufzte und lehnte sich zurück. »Kann mir nicht mehr alles merken.« Er betrachtete wieder seine Beine. »Sie waren aber schon mal da, an Sie kann ich mich noch erinnern!« Plötzlich war seine Stimme nicht mehr heiser. »Doch, doch, Sie waren früher schon mal da!« Er zeigte mit dem Finger auf mich. Ich nickte eilfertig und schämte mich dafür.
    »An damals kann ich mich nämlich gut erinnern. Als die in der Bar Centrale den ersten Fernseher aufstellten, das ist, als ob es gestern gewesen wäre. Kurz danach hat der Totó die Polsterei verspielt. Hat sich ja immer alles genommen, der Totó. Hat seine Eltern verspielt, verkauft.«
    »Der Salvatore Bellone!« Ich musste mich anstrengen, kein Fragezeichen an meinen Satz zu hängen.
    »Ja, der Totó! Na ja, der hat es doch auf seine Art gemacht, was der wollte, hat er bekommen. Die Karten. Immer die Karten, überall war er dabei. Doch dann hatte er kein Glück. Wollte erst nicht zahlen, aber

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