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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Spielschulden sind Ehrenschulden.«
    Das konnte nicht sein, mein Vater spielte doch nicht! Noch nicht mal tresette hat er mit uns zu Weihnachten spielen wollen, als wir klein waren.
    »Es gab eine Schlägerei, dabei hat er dem anderen das Auge zerschlagen. Ist dann nach Deutschland abgehauen, der Kerl!«
    Der. Der Kerl. Totó. Mein Vater.

    »Ja, ja, der hat seine Eltern auf dem Gewissen. Hat sie ruiniert. Ein Sohn soll seine Eltern ehren, soll sie unterstützen, nicht zu armen Leuten machen.« Er rieb mit der Hand unablässig über seine Stelzenbeine. »Der konnte sich hier nicht mehr sehen lassen. Die Eltern verkauft, sein ganzes Erbe und den Brautschatz der Schwester dazu... und vorher die Sache mit dem Mädchen!«
    Es reichte mir, mehr wollte ich wirklich nicht wissen.
    »Und wer sind Sie noch mal?« Sein Blick verweilte unsicher auf mir.
    »Nicht wichtig, entschuldigen Sie die Störung! Auf Wiedersehen!«
    Er nickte und schwieg.
    Vorsichtig zog ich die bimmelnde Ladentür hinter mir zu. Draußen atmete ich ein paar Züge der staubfreien Luft ein und versuchte mich zu beruhigen. Das war ja furchtbar. Mein Vater? Ein Spieler, der jemanden schwer verletzt hatte? Der nach Deutschland geflohen war? Der seine Eltern verarmt zurückgelassen hatte?
    Tief in Gedanken und immer noch hungrig ging ich die Gassen entlang. War er deswegen nie nach Sizilien zurückgekehrt? Seine Schwester in Bologna war jedenfalls nicht gut auf ihn zu sprechen, uns hatte sie jeden Sommer nett aufgenommen, ihn aber spüren lassen, dass er in ihrem Haus nicht willkommen war. Kein Wunder, wenn er wirklich ihre Mitgift verspielt haben sollte...

Kapitel 26
    LELLA
    Zurück in der Pension ließ ich mich an Signora Pollinis enormen Vorbau drücken.
    »Auch einen Teller lumache ?«, fragte sie und zog mich hinter den Perlenvorhang in ihre Küche. »Köstlich, die lumache !« Ich lehnte dankend ab, nahm aber eine aufgewärmte Portion pasta alla norma an, über die ich gemahlene Peperoncini streute. Ich brauchte das scharfe Brennen in meinem Mund, um nicht noch nervöser zu werden. Signora Pollini setzte ihrem Ehemann eine Schüssel voller Schnecken vor. Während er die Nachrichten im Fernsehen verfolgte, wühlte er blind mit den Fingern in den kleinen Gehäusen, nahm sie Stück für Stück, piekste mit einem Zahnstocher in ihnen herum und zog die grauen Schneckenlappen heraus, um sie schmatzend, ohne ein einziges Mal hinzuschauen, mit den Lippen abzustreifen. Die Luft in der Küche war von feinen Fetttröpfchen geschwängert, denn die Signora buk gerade Artischockenböden in Olivenöl aus. Ich konzentrierte mich auf meine pasta.
    Nach der kräftigen Mahlzeit ging ich auf mein Zimmer und duschte heiß und lange. »Pling-dinge-ding« meldete sich das Handy. Mit dem um die Taille gewickelten Handtuch
ging ich zum Nachttisch, wo es scheinheilig an seinem Kabel hing und vorgab, den Akku zu laden. Die Nachricht lautete:
     
    Ciao, fidanzata! Frag mich nicht wie, aber man hat mir über eine dritte Person ausrichten lassen, dass es Matilde gut gehen soll. Sie rede von einem Boot, mit dem sie gefahren sei. Ich sitze bereits beim Amt für Familienangelegenheiten und mache ordentlich Druck. Bald kommt alles wieder zusammen, was damals so unglücklich auseinanderbrach. Ich sehne mich nach dir und der Kleinen. Kiss - Claudio
     
    Matilde ging es gut! Erleichtert stöhnte ich auf. Sie erzählte von dem schnellen Tragflügelboot, die Nachricht musste echt sein.
     
    Doch Claudios weitere Worte machten mich umso wütender: Fidanzata, Kiss. Er behandelte mich schon als seine Verlobte! Ich wollte mich am liebsten übergeben, als ich mir seine vor Gel triefenden, angeklatschten Haare und den eigens für mich einstudierten, besorgten Blick vorstellte. Nichts wäre damals, als ich noch seine Verlobte hatte sein wollen, so unglücklich auseinandergebrochen, wenn er nicht so unglücklich den Schwanz eingezogen hätte...
    »Ich sehne mich nach dir und der Kleinen!«
    Ich hätte schreien können. Er hatte Matilde das letzte Mal gesehen, als sie drei Monate alt war.
    »Nein«, sagte ich und rubbelte mir voller Wut den Rücken trocken, »nein, nein, nein«, bei jedem Handtuchstrich. Ein bitterer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Ich war dazu verurteilt, auf Claudio, auf irgendwelche Richter,
auf das Standesamt, das Jugendamt und auf die Abteilung ›Sorgerecht/Adoptionen‹ zu warten.
    Ich schlüpfte ins Bett und zog mir das Betttuch über das Gesicht. Ausruhen, ein,

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