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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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der Bahnübergang, dann tauchten die ersten Hochhäuser und die orangegelben Mauern des Stadions auf. Sie waren mit schwarzen und roten Buchstaben beschmiert, Abkürzungen, von denen die Sprayer vermutlich selbst nicht mehr wussten, was sie bedeuten sollten. Ich wanderte an einem zusammengebrochenen Bretterzaun entlang, dahinter breitete sich ein von kniehohem Unkraut bewachsenes Baugrundstück aus, auf dem sich Tausende von gelben Blüten im Windwiegten. Sie würden die Luft im Spätsommer mit ihren wattigen Fallschirmen sättigen, es sei denn, jemand käme auf die Idee, schon vorher mit dem Bauen zu beginnen. Aber das war utopisch. Natürlich würde das Grundstück in drei Monaten genauso unverändert brachliegen.
    Was ich in drei Monaten tun würde, wenn Matilde bis dahin nicht wieder bei mir wäre, daran mochte ich gar nicht denken.
     
    Eine sehr kleine, sehr runde Frau führte mich in Claudios Büro.

    Aha, ein eigenes Büro, Claudio. Ich bin begeistert. Du hast das Aktenkabuff also hinter dir gelassen.
    Da sprang er hinter der Tür hervor, öffnete die Arme und machte Anstalten, mich nach drei Jahren und ein paar zerquetschten Tagen zu küssen.
    »Claudio!« Ich wich vor seinen Lippen zurück und streckte ihm schnell meine Hand hin. Mit Bedauern stellte ich fest, dass Teresas Söhne ihm keines seiner zurückgegelten Haare gekrümmt hatten. »Wie kam das alles? Wie sind sie auf dich gekommen? Haben sie dich bedroht? Hast du sie angezeigt?«
    Er hob die Schultern und ruderte mit den Armen durch die Luft, dann schnappte er meine Rechte und schüttelte sie lange.
    »Ich habe drei Tage durchgehalten, aber dann hatten sie mich an den... Entschuldigung, du weißt schon. Ach, lassen wir das. Die arme Kleine! Und du! Wie geht es dir damit?« Er klang wirklich besorgt.
    Ich sog die Luft zwischen den Zähnen ein. Der goldene Klopfer an der Tür hatte die Erinnerung an Matildes klebrige, kleine Hand geweckt. Ich wollte keinesfalls in Tränen ausbrechen.
    »Ich kann es noch gar nicht fassen...«, setzte ich an, als er mich auch schon unterbrach:
    »Warum hast du auf meine SMS nicht reagiert? Nie reagierst du, auf meine Briefe damals hast du auch nie geantwortet.«
    »Bitte, lass uns das Thema wechseln.«
    »Du hörst es ja nicht gerne, aber ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«
    »Diese Briefe kamen Monate zu spät, Claudio.«

    »Nur vier Monate! Ich brauchte Zeit, das habe ich dir auch geschrieben.«
    Ich hasste seine weinerliche Stimme. Meine Augen wanderten im Zimmer umher. An der Wand hing eine gerahmte Urkunde, die war neu. Er folgte meinem Blick.
    »Ach ja, die laurea, das war nicht ohne.«
    Lass gut sein, Claudio, dachte ich. Wir beide wissen, dass du niemals durch Können, Fleiß oder den Besuch einer Universität zum Doktor geworden bist. Dein Vater hatte für deinen Abschluss gezahlt. Und da bist du in guter Gesellschaft. Außer dir lassen sich in Sizilien auch noch unzählige andere Menschen ohne Widerspruch dottore rufen.
    »Hier«, begann er jetzt zu erklären, »ich habe alles vorbereitet. Da haben wir die Sorgerechtsvereinbarung aus den Testamentspapieren, übrigens noch nicht von dir unterschrieben und hier...« Er schaute auf. »Also eins muss ich dir leider sagen, es sieht schlecht für dich aus. Einer unverheirateten jungen Frau mit Wohnsitz in Deutschland, der wird kein Amtsvormund in Sizilien ein Kind anvertrauen, und wenn es hundertmal in irgendwelchen Nachlasspapieren bestimmt worden ist. Lella, verstehst du, ohne eine ordentliche Heirat, natürlich gute Kontakte inklusive...«, er lachte und sah beinah gut aus, »... ist dieses Papier da völlig wertlos.« Er hob das Blatt und ließ es fallen, worauf es wie ferngesteuert auf einen der Aktenstapel zurücksegelte.
    »Völlig wertlos«, wiederholte er und schnaufte dabei durch die Nase. »Das nützt der kleinen Matilde überhaupt nichts.«
    »Ich möchte sie sehen«, murmelte ich und streckte die Hand nach Leonardos Unterschrift aus, die er vor mehr als drei Jahren gemeinsam mit Grazia unter das Dokument gesetzt
hatte. Hier vor diesem Schreibtisch hatte Leonardo gesessen, hatte an die Zukunft seiner kleinen Tochter gedacht und damit auch an mich.
    »Wäre es nicht doch besser, die Entführung anzuzeigen? Immerhin haben die leiblichen Eltern offiziell bestimmt, dass Matilde, also ihre Tochter, bei mir bleiben soll! Und so schnell geht eine Heirat doch gar nicht, oder?«
    »Das geht ganz schnell, Liebes, mit mir ganz schnell.« Er

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