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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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flüsterte nur ängstlich, ich solle Papa nichts verraten. In meiner Verzweiflung rief ich Leonardo an, der mittlerweile in der Schweiz arbeitete, und bat ihn, mit unserer Mutter zu sprechen. Mamma schickte mich während des Gesprächs aus dem Zimmer. Als sie mich endlich wieder hereinrief und mir den Hörer hinhielt, erklärte Leonardo: »Alles halb so wild, Mamma soll eine Erbschaft antreten, jemand hat ihr in Bagheria, in der Nähe von Palermo, ein Häuschen am Meer vermacht. Ich fliege nach Palermo und regle das mit diesem Anwalt, diesem Acquabollente. Sag ihr, ich werde mit Papa sprechen. In zwei, drei Tagen spätestens bin ich bei euch in Köln.«
    Er hielt sein Versprechen. Ich stand gerade allein am Herd und schlug eine Vanillesauce im Wasserbad auf, tauchte einen Suppenlöffel hinein, pustete auf den Löffelrücken und nickte zufrieden. Wunderbar, das rosenblütenähnliche Muster, das zu sehen war, hielt sich, die Sauce war gelungen. Erst da entdeckte ich meinen Bruder, der in der Tür zum Hof stand.
    »Hej, gemellina, gelernt ist gelernt, was?«
    Er umarmte mich, und ich atmete seinen Geruch nach
Leder, Zedernholz und Fremde ein. Ich hatte ihn vermisst. Jetzt würde alles gut. Ein Gefühl ähnlich einem glücklichen Seufzen stieg in meinem Körper hoch.
    »Sizilien ist cool, Lella, das hätte ich nie gedacht! Sag es Mamma und dem Alten noch nicht, aber meine nächste Stelle habe ich in Palermo. Und da ist noch etwas...«
    Ich schluckte. »Palermo also.«
    Ich versuchte, meiner Stimme einen unbefangenen Klang zu geben. Es misslang. »Und was ist da noch, was hast du eben gesagt?«, brachte ich den Satz zu Ende. Ich schaute ihn an. Mein Bruder sah zur Seite.
    »Was war da noch?«
    »Wieso?«
    »Du hast eben gesagt: ›Und da ist noch etwas...‹«
    »Ach so, ja«, er lachte mich an, »ich habe echt supernette Leute in Palermo getroffen, die Stadt ist der Hammer!« Wir wussten beide, dass es nicht das war, was er hatte sagen wollen, denn er traf überall auf der Welt »echt supernette Leute«, und jeder Ort war für ihn der Hammer, wohin er auch fuhr.
    Wir starrten uns stumm an. Ich konnte es nicht fassen, er hatte mir in die Augen geschaut und mich angelogen. Ich wendete mich ab, um ihn meine Bestürzung darüber nicht sehen zu lassen.
    Warum ausgerechnet Palermo? Ich schaute mich in der Kirche um. Ich war von LaMacchias eingekreist. Eine ganz normale Familie, wie man sie überall sehen konnte: dickleibige Tanten und kahle Onkel, einfache Bauerngesichter, Pickelnasen und dunkle Mausaugen, frisch rasierte Studentengesichter und junge, müde aussehende Frauen, die sich die Kleinkinder auf dem Schoß zurechtsetzten.

    Warum mussten unsere Familien etwas miteinander zu tun haben, warum hatte Leonardo ausgerechnet Grazia treffen müssen? Es war ein Zufall, dass er, der doch nur einen Job annehmen wollte, ausgerechnet dem schönsten und melancholischsten Mädchen von ganz Sizilien begegnete. Ein Zufall, so unwahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Doch dann fiel auch noch die Zusatzzahl: Sie war eine LaMacchia.
    Keine drei Monate nach seiner Abreise nach Palermo stand er wieder in der Tür. Mamma war ganz aus dem Häuschen, sie redete drauflos, sie plapperte geradezu. Natürlich nicht über seine neue Arbeit, um das Thema Sizilien nicht berühren zu müssen, aber über einige andere unwichtige Dinge. Sie lächelte Leonardo zu, der diesmal zu funkeln und zu strahlen schien. Ich war immer noch wütend auf ihn, aber das machte ihm anscheinend nichts, denn er drückte mich wieder und wieder an sich und betrachtete mich mit einem Blick, den ich nicht kannte.
    Abends wartete ich in meinem Zimmer auf ihn. Mein Hals platzte fast von all den ungestellten Fragen. Ich wollte die Neuigkeit, die er offensichtlich mit sich herumtrug, nicht erst von meinen Eltern hören. Wir hatten schon als Kinder immer unsere Geheimnisse vor ihnen bewahrt, er würde, er musste einfach zu mir kommen. Aber Leonardo kam nicht, ich hörte seine Zimmertür gegenüber zuschnappen. Starr und ratlos lag ich da und konnte stundenlang nicht einschlafen.
    Am nächsten Morgen trat Leonardo summend in die Küche unseres Restaurants, wo ich gerade mit einem Schneebesen und der ganzen Wut und Verzweiflung der vergangenen Nacht zwanzig Eigelb, drei Kilo Mascarpone und zwei Pakete Puderzucker schaumig schlug. Mamma hatte ebenfalls
einen Schneebesen in der Hand und wartete nur darauf, mich abzulösen. Die Rührmaschine, die ich auf Leonardos Rat hin gekauft

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