Das Loch in der Schwarte
ist beunruhigend blass, deine Stirn hat einen Stich ins Violette bekommen. Du bist nicht der Erste, dem das zustößt. Viele kommen nicht damit zurecht, dem Weltall so zu begegnen. Man spürt ein Schwindelgefühl. In Anbetracht der Unbegreiflichkeit des Weltalls wird einem schwindlig. Der Mensch ist besser geeignet für das kleine Leben, das menschliche Wesen will in einem Samen mit weißen Gardinen wohnen. Ab und zu möchte es hinausschauen, dann macht es sich ein kleines Guckloch. Und dann sieht es immer eins nach dem anderen. Einen See. Einen Baum. Einen goldgelben Mond, der über der Wiese aufsteigt. Immer eine Sache nach der anderen, nicht zu viel, sonst wird es so unordentlich. Damit nicht alles durcheinander gerät.
Doch dann wird das Dach vom Mauseloch abgenommen, und die kleinen Pfefferkornaugen blinzeln hinauf in Gottes schäumendes, taifunähnliches Antlitz. Da beginnt der Mensch zu wanken, hilflos zu piepsen, will seinen Kopf ins Kissen bohren.
Das ist nur allzu menschlich.
Setz dich lieber hin, Kumpel. Ich drehe dir deine Rückenlehne weiter nach hinten. Drücke auf den Knopf für eine schöne Massage des Rückgrats, so, ja? Und dimme die Deckenleuchte herunter. Entspanne dich, ich werde ein wenig Musik einschalten. Etwas Altes mit Saxofonen? Jazz aus schwarzen Kehlen? Du bist wieder zurück in der Kabine. Um dich herum stehen Wände. Wärme zischt aus der Klimaanlage, in deine kleine, sichere Blase hinein.
Ruh dich jetzt aus, denk nicht mehr ans Weltall. Denke an deine Mutter. Ihr ruhiges Gesicht beugt sich über dich, Morgensonne scheint durchs Fenster. Der Duft lauwarmer Milch. Ein Stück Seife, das unter fließendem Wasser immer wieder gerieben wird. Ein Haustier. Ein Hundefell, beruhigend unter der Nase wie ein guter alter Teppich. Du bist wieder daheim. Auf der Erde. Auf der blauen, freundlichen Erde.
Das größte Problem bei den Berichten über das Weltall ist, dass es nicht zusammenhängt. Das Weltall besteht aus Fragmenten. Herumwirbelnden Splittern eines großen alten Knalls. Und das Menschengehirn mag keine Splitter. Wenn man über das Weltall berichtet, möchte der Mensch lieber ein Märchen hören. Eine lange Geschichte, die zum Schluss glücklich endet. Oder vielleicht auch traurig. Aber auf jeden Fall eine Geschichte, ein roter Faden, ein Stück sich bauschenden Stoffes, der in den Nähten und Fäden zusammenhängt. Er möchte einen Anfang haben, einen Schluss und drei Wünsche in der Mitte. Und ein paar spannende Kämpfe zwischen Gut und Böse.
Doch das Weltall ist nicht so. Es bleibt unscharf, wie nahe man auch herangeht. Der Mensch weigert sich, das zu akzeptieren, er wird wütend, versucht drei Schritte zurückzutreten, um das ganze Bild erkennen zu können. Doch das ist unmöglich. Das Weltall befindet sich auch hinter ihm, sogar in ihm, es wird niemals zu überblicken sein. Das Weltall hat alle Farben auf einmal, alle Formen auf einmal, es ist so verdammt zerstreut, dass man es niemals zusammendenken kann.
Und deshalb wird einem dabei übel.
Das Weltall macht einen seekrank.
Ein Bild, das mit allen Farben gemalt wird, wird zum Schluss braun wie Scheiße. Man sieht nichts mehr. Es ist dumm, dass der Kosmos auf diese Art und Weise konstruiert wurde. Man hofft auf eine Antwort, es ist hoffnungslos, ein Mensch zu sein, man möchte, dass das Kreuzworträtsel aufgeht. Doch alles, was man bekommt, ist nur ein »Jana«.
Und deshalb werden wir Roader so leicht zynisch.
Sonst würden wir wahnsinnig werden. Sich ins Weltall hinaus zu begeben, das bedeutet zu entdecken, dass es keine Geschichte gibt. Das ist das Schlimmste, das Schrecklichste und Unerträglichste, darum sage ich es noch einmal:
Es gibt keine Geschichte.
Emanuel
manuel Creutzer war ein verbitterter Mann. Er war der Meinung, das Leben verhielte sich unverhältnismäßig hart ihm gegenüber, was er gern in weitschweifigen Monologen in den heruntergekommensten Bierkneipen Hamburgs ausführte, wo er in seinem ungewaschenen Mantel saß, eingehüllt in den Geruch kalter Pappkartonpizza. Trotz seiner enormen Begabung war ihm in seinem Leben einfach nichts geglückt, er war zu einem Leben im Brackwasser und in Dilettantismus verurteilt. Im Institut für Angewandte Physik wurde er trotz seiner jungen Jahre als ein hoffnungsloser Ehemaliger betrachtet, seine Eltern in Karlsruhe waren seine endlosen Tiraden leid, sein struppiger Dackel war an einem absolut ungewöhnlichen Kehlkopfkrebs erkrankt und fauchte jetzt wie eine
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