Das Locken der Sirene (German Edition)
sich selbst. „Das hättest du nicht tun dürfen.“
Zach suchte nach einer angemessenen Antwort. Sørens Gegenwart machte ihn merkwürdig sprachlos. Der Priester schien Zachs Unbehagen amüsant zu finden.
„Wo ist Nora, Meister?“, fragte Griffin an seiner Stelle.
„Sie wird für eine Weile mit Zirkel-Angelegenheiten beschäftigt sein. Solange sie nicht hier ist, sollte ich wohl für die Unterhaltung ihres Gasts sorgen“, sagte Søren großzügig.
„Aber Nora hat mir gesagt, ich soll bei ihm …“
Sørens Hand schnellte mit der Geschwindigkeit einer Kobra vor und packte Griffins Kehle. Zach machte einen Schritt nach vorn, doch Griffin warf ihm einen warnenden Blick zu. Zumindest sah es so aus, als könnte er noch atmen.
„Mr Easton, darf ich Sie wohl Zachary nennen?“
Zach schluckte tapfer seine Nervosität herunter, bevor er mit einer Gegenfrage antwortete: „Soll ich Sie Father Søren nennen? Oder Meister?“
„Wenn ich das richtig verstanden habe, sind Sie kein Katholik. Und Sie gehören nicht zu dieser Gemeinschaft. Also dürfen Sie mich natürlich Søren nennen. Hätten Sie Lust auf einen kleinen Rundgang?“
Zach spürte, dass es Noras Priester aus bestimmten Gründen nach seiner Gesellschaft verlangte, die er lieber nicht herausfinden wollte. Aber er beschloss, seine Zustimmung als Druckmittel zu benutzen.
„Lassen Sie Griffin dann in Ruhe?“, fragte Zach.
Søren schien diese Forderung amüsant zu finden. „Ich wäre wohl kaum ein anständiger Fremdenführer, wenn ich eine Leiche mit mir herumschleppen müsste, nicht wahr?“
Besorgt schaute Zach zu Griffin, der zum Glück noch immer ruhig blieb, obwohl der Priester ihn nach wie vor brutal würgte. „Vermutlich nicht. Ein Rundgang würde mir gefallen.“
Søren ließ Griffin los. Zach bemerkte die roten Fingerabdrücke des Priesters, die sich fast augenblicklich direkt unterhalb von Griffins Kinn bildeten. „Wollen wir dann?“
Widerstrebend ließ Zach Griffin auf der Galerie allein. Auch wenn der junge Mann schamlos mit ihm geflirtet hatte, war ihm seine freundliche Gesellschaft viel lieber als die von Noras Priester.
„Was macht Nora?“, fragte Zach. Søren führte ihn von der Galerie zu einer unscheinbaren Tür am anderen Ende der Bar.
„Eleanor macht das, was sie immer tut – einfach nur das, was sie will.“
Unter ihrer Berührung flatterten die Wimpern des schlafenden Jungen, und er öffnete die Augen. Sie biss sich auf die Unterlippe, um ein Lachen zu unterdrücken, als er sich sofort hastig aufsetzte.
„Es ist alles in Ordnung. Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte sie, als würde sie ein verängstigtes Tier beruhigen. „Es ist nur ein Traum.“
Er blickte sie an. Seine silbrigen Augen waren so groß wie der Mond. Seine Wangen röteten sich, und er zog die Knie eng an die Brust.
„Redest du?“, fragte sie.
„Normalerweise nicht.“ Er fuhr mit beiden Händen durch die langen Haare und schob sie hinter die Ohren.
„Mit mir kannst du reden. Du kannst alles sagen, was du willst. Ich möchte das gerne. Verstehst du?“
Der Junge nickte, und Nora nickte ebenfalls. Sie war zufrieden, als er nervös auflachte.
„Okay, ich verstehe.“
„Braver Junge. Weißt du, wer ich bin?“
Er nickte erneut, und Nora hob eine Augenbraue.
„Ja. Father S., er hat mir von Ihnen erzählt, dass er Sie kennt.“
„Was genau hat er dir erzählt?“, fragte Nora.
„Er hat gesagt, Sie sind eine alte Freundin von ihm. Ich meine, nicht alt, also …“
„Wir kennen uns schon seit sehr langer Zeit“, kam sie ihm zur Hilfe.
„Genau. Und er hat auch gesagt, Sie sind die schönste Frau, die je gelebt hat.“
Nora errötete leicht. „Was noch?“
Der Junge atmete scharf ein und erwiderte ernst ihren Blick. „Er hat gesagt, Sie könnten mir helfen.“
Nora legte den Kopf leicht schief. Behutsam berührte sie seinen Fuß. „Brauchst du denn Hilfe?“
Zuerst gab er darauf keine Antwort. Dann entspannte er sich langsam, löste die um die Knie geschlungenen Arme. Er wollte seine Armbanduhr abnehmen, aber die Finger zitterten zu sehr, und er atmete frustriert aus. „Tut mir leid“, sagte er.
„Lass mich das machen.“
Der Junge streckte schwach den Arm aus. Nora öffnete seine Uhr und unterdrückte ein Aufkeuchen, als sie entdeckte, warum er so ein breites Armband trug. Über die Innenseite seines Handgelenks zog sich eine weiße Narbe mit einer sie kreuzenden Reihe von Stichen, die ebenso verblasst waren. Er
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