Das Locken der Sirene (German Edition)
mehr“, flehte sie.
Søren antwortete darauf mit dem Hauch eines Lächelns. „Nun, wenn du schon nicht an unserem Jahrestag zu mir kommst, muss ich dir dein Geschenk vermutlich vorher geben. Wie gut, dass ich es schon mitgebracht habe.“
Er zog etwas aus seiner Hosentasche und hielt ihr die offene Hand hin. Ein Schlüssel an einem zarten weißen Band lag auf seiner Handfläche.
„Was ist das?“
„Natürlich der Schlüssel zum Weißen Zimmer. Dort wartet dein Geschenk zum Jahrestag auf dich.“
Er machte einen Schritt auf sie zu. „Er ist noch Jungfrau, Eleanor“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Du kannst die Augen schließen und so tun, als wäre er Wesley.“
Nora wollte einen Schritt nach hinten machen, wollte Søren von sich stoßen. Zach war da draußen und wartete auf sie. Und sie müsste es doch eigentlich besser wissen, denn Sørens Geschenke waren immer zweischneidige Schwerter, und es gab keine andere Möglichkeit, sie anzunehmen, als sie bei der Schneide zu fassen. Sie hörte, wie ihr Verstand sie ermahnte, sie solle Zach finden und schleunigst von hier verschwinden. Doch dann erinnerte sie sich wieder daran, was sie ihm versprochen hatte – dass sie ihm einen Ort zeigen wollte, an dem es keine Reue gab, keine Scham und keine Angst.
Sie nahm den Schlüssel von Sørens Hand.
„Wie ich sehe, hat er es noch nicht geschafft, dass du nicht leiden willst“, sagte Søren.
Nora gab keine Antwort. Ihre Finger schlossen sich so fest um den Schlüssel, dass der Schlüsselbart sich schmerzlich in ihre Hand grub. Sie schlüpfte aus dem Raum in den angrenzenden Flur. Sie spürte Sørens Blick auf sich ruhen, doch sie schaute nicht zurück.
20. KAPITEL
Z ach folgte Griffin zu der Galerie. Sie beugten sich über die Balustrade und beobachteten das Treiben auf dem Parkett.
Eine hübsche dunkelhaarige Frau im Kimono und mit zwei unheilvoll aussehenden Essstäbchen im Haar stand auf einem Podium unter ihnen. Sie wand ein schwarzes Seil um den Körper eines wohlgestalten rothaarigen Mädchens, das nackt und reglos neben ihr stand.
„Das ist Lady Noy. Sie ist die Königin des asiatischen Bondage hier unten.“ Griffin zeigte auf die beiden Frauen. „Und das schöne Mädel, das sie da gerade fesselt, ist Alyssa Petrosky.“
„Petrosky?“ Der Name kam ihm bekannt vor.
„Ja, die Petrosky. Sie ist die Stieftochter des Gouverneurs und hier unten eine ziemlich berüchtigte Sklavin. Sie steht sehr auf Exhibitionismus.“
„Das sehe ich.“ Zach sah staunend zu, wie Lady Noy ihre Arbeit vollendete und das Mädchen mit einem komplizierten Zugsystem, das nur aus Seilen geknüpft war, in die Höhe zog. Das Mädchen lehnte sich in einem eleganten asymmetrischen Bogen zurück und schien sowohl mit ihrer Nacktheit als auch mit ihrer Fesselung vollkommen zufrieden zu sein.
„Und das da drüben ist Agent Byers. Er ist ein hohes Tier beim FBI“, sagte Griffin und zeigte auf einen Mann, der an ein Kreuz gefesselt war und von einer Frau ausgepeitscht wurde, die nur halb so alt war wie er. „Und ein Sklave ist er auch.“
„Ist es dir eigentlich erlaubt, mir das alles zu erzählen?“
„Wieso? Willst du das etwa weitererzählen? Niemand würde dir auch nur ein Wort glauben. Außerdem, wenn du auch nur einen Ton hierüber verlauten lässt, wird Kingsley Edge dich zerstören. Er hat uns alle in der Hand – das ist quasi ein Teil unseres Mitgliedsbeitrags, wenn du so willst. Ich verwette mein Bankkonto darauf, dass er über dich auch schon eine Akte angelegt hat.“
„Über mich? Bist du sicher?“
„Sobald du dich auf drei Schritte Nora näherst, gibt’s eine Akte über dich. Und für mich klingt es so, als wärst du ihr sehr viel näher gekommen.“
„Mich kann man wohl kaum mit irgendetwas erpressen.“
„Wirklich nicht? Gibt’s niemanden da draußen, der lieber nicht wissen sollte, dass Nora dir einen geblasen hat?“
Zach wurde rot und schwieg lieber. Ja, da gab es bestimmt jemanden. „Treffer versenkt“, sagte er nur.
„Du solltest eines wissen, Zach. Nora ist nicht irgendein kleiner Schmierfink mit einem wilden ausschweifenden Liebesleben. Sie ist die verfluchte Königin des Untergrunds. Und Kingsley Edge ist, wie der Name schon sagt, der König.“
„Und er? Was ist mit ihm?“ Zach traute sich nicht mal, Sørens Namen auszusprechen.
„Er ist etwas, das höher steht als ein König und eine Königin.“
„Ein Kaiser?“, schlug Zach vor.
Griffin grinste. „Ein Gott.“
„Ein
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