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Das Locken der Sirene (German Edition)

Das Locken der Sirene (German Edition)

Titel: Das Locken der Sirene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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Lächeln in Wesleys Augen verschwand, als Nora unter einem Papierstapel ihr Handy hervorholte.
    „La Maîtresse
am Apparat“, meldete sie sich.
    „Das Buch“, sagte Wesley lautlos. Seine Augen flehten sie an.
    Das Telefon gegen das Ohr gedrückt, ging Nora auf Wesley zu. Sie kam ihm so nahe, dass er unwillkürlich zurückwich. Sie machte noch einen Schritt auf ihn zu, und wieder wich er zurück.
    „Geh, und mach deine Hausaufgaben, Junior“, sagte sie, wofür sie von Wesley das erntete, was für ihn am ehesten einem bösen Blick nahekam.
    „Du hast auch Hausaufgaben zu erledigen“, erinnerte er sie.
    „Ich studiere aber nicht im Hauptfach Biochemie an einem verflucht brutalen geisteswissenschaftlichen College. Ab mit dir. Die Erwachsenen haben etwas zu besprechen.“
    Sie schloss die Tür vor seiner Nase.
    „Kingsley“, sagte sie ins Telefon. „Ich hoffe für dich, dass es wichtig ist.“
    „Wie immer noch spät am Abend bei der Arbeit.“
    Zach schaute von den Notizen zu Noras Buch auf. J. P. stand vor seinem Bür, eine Zeitung unter den Arm geklemmt. Er schaute auf die Uhr.
    „Es ist schon nach acht?“ Zach war erschüttert, dass er plötzlich gar nicht mehr mitbekam, wie die Zeit verging. „Guter Gott.“
    „Du scheinst da etwas Gutes zu lesen.“ J. P. betrat Zachs Büro und setzte sich.
    „Gut möglich. Hier, hör dir das an.“ Zach schlug das Manuskript an einer Stelle auf, die er zuvor markiert hatte, und las laut vor:
    Es ist ein Vergnügen, ihr bei der Arbeit zuzusehen. Wenn ich im Büro an meinem Schreibtisch sitze, muss ich nur mit dem Stuhl etwa fünfzehn Zentimeter nach rechts rutschen und kann im Flurspiegel sehen, was in der Küche vor sich geht. Alles ist so unmittelbar und nah, dass ich das Gefühl habe, als Geist mit ihr im selben Raum zu sein
.
    Und das sehe ich: Caroline, die mit zwanzig immer noch die fohlenhaft schlanken Beine eines viel jüngeren Mädchens hat, schiebt einen Hocker dicht an die Anrichte. Der Hocker wackelt nervös unter ihren Knien, als sie sich daraufkniet und tief durchatmet. Sie öffnet die Vitrine, in der meine Weingläser stehen. Jene mit Absicht völlig willkürliche Sammlung nicht zusammenpassender Gläser, die allesamt älter sind als sie. Ein oder zwei sind sogar noch älter als dieses heranwachsende Land. Sie nimmt die Gläser einzeln vom Regalbrett; ihre zerbrechlichen Stiele beben in ihren zarten Fingern
.
    Ich habe diesen Augenblick mit Absicht herbeigeführt. Ich hätte sie mit zahllosen Aufgaben traktieren können, mit mühseligen Dienstleistungen. Stattdessen hatte ich beschlossen, sie mit Langeweile zu quälen, weil ich neugierig war, was der Teufel mit ihren untätigen Händen machen würde. Interessant war, dass vor allem die Dinge meines Haushalts, die am leichtesten zerbrechen, ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mit einem weichen, sauberen Tuch poliert sie jedes Glas. Sie hält die Schale wie ein Vögelchen, streichelt den Stiel wie den Rücken einer sich wohlig rekelnden Katze, wischt jedes alte Flüstern von den Rändern. Ich sehe, wie sie mit den Augen die Gläser abzählt. Ich zähle mit. Dreizehn. Letzte Nacht habe ich ihr die Peitsche gezeigt, doch ich habe sie noch nicht benutzt. Dreizehn – einen Hieb für jedes Glas, das sie ohne meine Erlaubnis berührt hat
.
    Dreizehn – ich glaube, heute Nacht werde ich sie zuerst auspeitschen und danach den Grund dafür nennen
.
    Zach schloss das Manuskript und wartete auf J. P.s Reaktion. J. P. pfiff anerkennend, und Zach schaute ihn fragend an.
    „Ich glaube, das hat mich gerade ziemlich erregt. Muss ich mir jetzt Sorgen machen?“ J. P. grinste verwegen.
    „Da ich die einzige andere Person im Raum bin, sollte ich mir vermutlich sehr viel mehr Sorgen machen“, erwiderte Zach. „Es ist ziemlich gut, nicht wahr? Der Inhalt ist ein bisschen verstörend, aber ihr Schreibstil …“
    „Sie hat Talent, das hab ich dir doch gesagt. Ich hoffe, das bedeutet, dass du nicht länger vorhast, mich umzubringen.“
    „Dich umbringen?“
    J. P. schmunzelte. „Ja, weil ich dich überredet habe, mit Sutherlin zu arbeiten.“
    Zach lachte auf. „Nein, ich werde dich nicht umbringen. Aber sag mal – war ich wirklich der einzige Lektor, der mit ihr arbeiten konnte oder wollte?“
    „Ich vermute, ich hätte auch jemand anderen dazu überreden können. Allerdings niemanden, der auch nur annähernd so gut ist wie du. Ist auch unwichtig, denn Sutherlin hat nach dir gefragt.“
    Zach blickte

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