Das Locken der Sirene (German Edition)
Schließlich hatte Søren sie durch die zehn Höllenkreise geführt, als sie in Wesleys Alter war. Und jetzt war sie dankbar für die Disziplin, die sie unter Sørens Anleitung gelernt hatte. Die Tapferkeit, die er ihr eingebläut hatte. Jetzt konnte ein Kerl wie Zach ihr in die Augen blicken und ihr erklären, sie sei weder Zeit noch Mühe wert, und sie konnte seinen Blick erwidern, lächeln und ihn fragen, ob das alles war, was er ihr bieten konnte. Søren hatte sie stärker gemacht, und dafür würde sie ihm auf ewig dankbar sein. Und Zach machte jetzt eine richtige Schriftstellerin aus ihr. Das war die einzige Fantasie, die Søren ihr nie hatte erfüllen können. Und was Wesley betraf … Sie schaute auf das leere Weinglas und schenkte sich dann nach, um auf ihn zu trinken. Nun, Wesley machte sie schier verrückt.
Nora drehte sich um. Sie sah ihr Buch und Zachs Notizen auf dem Küchentisch liegen.
„Verdammt noch mal, Zach“, sagte sie wie zu sich selbst und kippte den guten Wein in den Ausguss. „Warum nur musstest du mir sagen, dass wir es schaffen können?“
7. KAPITEL
N och fünf Wochen …
Eine Träne bildete sich in Noras Augenwinkel und rann über ihre Wange, ehe sie sie daran hindern konnte. Sie rieb die Feuchtigkeit mit dem Ärmel weg und blinzelte ein paarmal. Sie hatte so lange auf den Computerbildschirm gestarrt, dass ihre Augen inzwischen vermehrt tränten. Sie reckte und streckte sich, speicherte das Dokument und beschloss, einen Blick auf ihre privaten E-Mails zu werfen, ehe sie sich eine kurze Toilettenpause gönnte. Sie überflog eine Nachricht von ihrem Agenten und löschte einige Spammails. Ehe sie sich ausloggte, landete eine neue E-Mail in ihrem Posteingang. Sie kam von Zach und hatte den Betreff:
Bezüglich Sex
.
Die E-Mail erstreckte sich über zwei Seiten und erklärte ausführlich, warum sie die Mehrzahl der Sexszenen aus dem Buch streichen musste. Als sie zum fünften Mal das Wort ü
berflüssig
sah, hörte sie auf zu lesen.
Mit Ihnen macht’s keinen Spaß
, schrieb sie an Zach.
Darf ich nicht wenigstens drei meiner Szenen behalten?
Zach saß offenbar noch immer am Computer. Er antwortete schnell mit nur einem Wort.
Nein
.
Zwei
, schrieb sie zurück.
Nein
.
Nora fiel vor Lachen fast vom Stuhl. Sie konnte sich nur zu gut die ernste, zugleich aber unwiderstehlich attraktive Miene vorstellen, die er jetzt zeigte: Die Stirn runzelte sich mit jeder ärgerlichen kleinen E-Mail von ihr ein kleines bisschen mehr.
Eine? Ich verspreche auch, ich werde sie gut machen. Bitte! Ich kauf Ihnen auch einen Hundewelpen
.
Ich habe eine Hundehaarallergie
, schrieb er zurück.
Nora biss sich auf die Lippe. Ihr kam plötzlich eine Idee …
Wir könnten ein Spiel spielen
, schrieb sie zurück.
Ich gebe Ihnen bis Ende der Woche fünfzig zusätzliche Seiten, wenn Sie mich drei meiner Szenen behalten lassen – extrem entschärft selbstverständlich
.
Sie hielt den Atem an, während sie auf seine Antwort wartete. Schließlich landete eine E-Mail in ihrem Posteingang.
Gut. Aber jeder Sex in den Szenen muss dem Plot und der Figurenentwicklung dienen. Jetzt hören Sie auf zu spielen, und fangen Sie mit dem Schreiben an. Ihnen bleiben noch fünf Wochen, um über vierhundert Seiten umzuschreiben
.
Ich behalte den Welpen
, schrieb sie zurück. Sie war nicht überrascht, als er nicht antwortete.
Nora las gerade noch einmal Zach neueste Anmerkungen zu ihren neuen Kapiteln durch, als ihre Hotline klingelte. Sie hörte den speziellen Klingelton aus der Küche bis ins Büro. Genervt verdrehte sie die Augen, stand auf und ging ohne große Eile Richtung Küche. Wesley stand an der Anrichte und hatte ihr Telefon in der Hand. Er wirkte seltsam müde und grimmig. Ohne ein Wort gab er ihr das Handy und ging an ihr vorbei.
„King, ich schwöre dir, ich werde dich zu Tode prügeln, wenn du nicht aufhörst, mich anzurufen.“
„Ah, jetzt flirtest du mit mir,
ma chérie
.“
Nora biss die Zähne zusammen und atmete tief durch. Gab es auf der Welt einen Mann, der sie in größere Wut zu versetzen vermochte als Kingsley Edge? Søren, dachte sie. Nur Søren schaffte das.
„Ich flirte nicht. Ich arbeite.“ Sie betonte jedes einzelne Wort, als spräche sie mit einem Kind. „Ich habe noch einen anderen Job, erinnerst du dich?“
„Ich tue alles, um deinen anderen Job zu vergessen, Maîtresse. Dein anderer Job kostet mich nämlich Geld.“
„Tja, und mir bringt er welches ein.“
„Und inwiefern hilft
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