Das Locken der Sirene (German Edition)
es dir zusteht“, wies Zach sie zurecht.
„Echt nicht?“, fragte Nora mit spöttisch hochgezogener Braue. „Und was willst du, das dir nicht zusteht?“
Zach senkte den Blick. Aus purer Verlegenheit zeigte er auf etwas in der Tasche. „Was ist das?“
„Ah …“ Nora seufzte. „Jetzt hat er sich schon wieder im Nebel verloren.“ Trotzdem holte sie den schwarzen Seidenschal aus der Tasche. Sie ließ ihn durch die Finger und über ihre Handgelenke gleiten. Er floss über ihre Handflächen wie schwarzes Wasser.
„Eine Augenbinde?“, vermutete Zach.
„Oder ein Knebel. Oder Handfesseln. Die Augenbinde scheint auf den ersten Blick harmlos, aber ich bin ein großer Freund von ihr. Hast du eine Ahnung, wie viel Vertrauen man haben muss, um sich von jemandem die Sicht nehmen zu lassen? Willst du es herausfinden?“
„Nora …“
„Also gut, Zach. Ich behalte meine Hände bei mir – zumindest mehr oder weniger. Kein Sex, bis das Buch fertig ist. Zumindest für dich gibt’s keinen. Wie ich mich kenne, werde ich sehr wohl welchen haben“, sagte sie über die Schulter.
Zach lachte leise, bis ihm aufging, dass sie nicht lächelte.
„Komm, Zach.“ Sie warf sich den Mantel über und ging zur Tür. „Zeit zu gehen.“
„Brauchst du deine Tasche?“, scherzte er.
„Dort, wo wir hingehen, brauche ich sie nicht.“
18. KAPITEL
Z ach folgte Nora nach draußen. Er wollte zu ihrem Auto gehen, das vor dem Haus parkte, aber sie ging nicht zu ihrem Wagen, sondern Richtung Garage.
„Nora?“
„Hier entlang. Ich hab eine kleine Überraschung für dich.“
Nora zog ihr Schlüsselbund aus der Manteltasche und drückte auf einen kleinen schwarzen Knopf. Das Garagentor öffnete sich langsam. Zach hätte sich nie träumen lassen, dass sie tatsächlich einen Wagen in der Garage stehen hatte. Ihr schwarzer Lexus und Wesleys verbeulter VW standen immer in der Einfahrt oder vor dem Haus am Straßenrand. Aber in der Garage stand ein Auto, das mit einer Schutzhülle aus Wildleder zugedeckt war.
„Ihr Yankees.“ Zach schüttelte den Kopf. „Ihr glaubt wirklich, ihr braucht einen ganzen Fuhrpark.“
„Das hier ist nicht bloß irgendein Auto, Zach.“ Sie nahm eine Ecke der Schutzhülle und zog sie mit einer einzigen, übertriebenen Armbewegung herunter.
„Mein Gott … Nora.“ Zach umkreiste den Wagen. Er war knallrot und tiefergelegt. Irgendwie kam er ihm bekannt vor. Eigentlich war er nicht so verrückt nach Autos, aber etwas sehr Männliches in ihm wollte diesen Wagen von einem Kotflügel zum anderen streicheln – mit beiden Händen.
„Vor langer Zeit“, begann Nora, „habe ich eine ganze Woche mit einem Scheich verbracht. Das war seine Form, mich am Morgen danach zu belohnen.“
„Du hast den hier die ganze Zeit in der Garage?“
„Wieso? Ist doch nur ein stinknormaler Aston Martin.“
„Das ist James Bonds Auto.“
„Ja, aber den kriegt er nicht wieder. Sag’s nicht weiter, aber ich werde ihn Wes schenken, wenn er in ein paar Jahren seinen Abschluss geschafft hat.“
„Wenn du ihn irgendwann mal feuerst und einen neuen Praktikanten suchst …“ Zach berührte ehrfürchtig die Motorhaube.
„Ich werde deinen Lebenslauf gut weglegen“, versprach Nora ihm. Sie beobachtete ihn amüsiert. Er streichelte jetzt das Autodach. „Du bist jetzt richtig hart, stimmt’s?“
„Total steif.“ Zach brachte nicht mal ein Lächeln zustande.
„Typisch Mann.“ Nora verdrehte die Augen. „Los, steig schon ein.“
Zach glitt auf den Beifahrersitz und atmete den schweren Duft der teuren Ledersitze ein. Das teuerste Leder der Welt. Er schloss die Augen und lehnte sich zurück. Der Sitz hielt ihn wie eine Hand umfasst. Hier konnte er ruhigen Gewissens sterben.
Nora setzte sich hinters Lenkrad. Der Wagen erwachte schnurrend zum Leben.
„Nora – wer bist du?“
„Nur ein Gossenkind. Bist du bereit, meine Gosse kennenzulernen?“
Zach richtete sich auf und öffnete die Augen. „Wohin genau fahren wir denn?“, fragte er. Sie glitten durch die Straßen in Richtung City.
„In einen Club“, sagte Nora einfach.
„Was für einen Club?“
„Die einzige Art Club, die ich besuchen würde.“
„Wie heißt er?“
„Er hat keinen offiziellen Namen, weil er offiziell nicht existiert. Diejenigen, die ihn kennen, nennen ihn den 8. Kreis.“
Zach versuchte sich an seinen Italienischunterricht zu erinnern.
„Es ist zu lange her, seit ich Dante gelesen habe. Der 8. Höllenkreis – war das der, wo
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