Das Locken der Sirene (German Edition)
sicher, du hast dich ihm angeboten –, dann allein deshalb, weil er seine Frau noch liebt. Eine verletzte Liebe ist die gefährlichste Art Liebe. Sie wird dich bei jeder Berührung aufschlitzen.“
„Wie deine Liebe?“
Søren senkte den Kopf. Er küsste sie vom Hals bis zur Schulter. Sie atmete glücklich aus, weil sein Mund ihre Haut berührte. Kein anderer Liebhaber hatte in ihr je ähnliche Gefühle geweckt, wie Søren es vermochte.
„Du hast mich noch nicht gebrochen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Es kostete sie all ihre Kraft, sich nicht zu ihm umzudrehen und in seine Arme zu sinken. „Befolgst du immer noch meine Regel, Eleanor?“
Nora biss sich in die Unterlippe. „Ja. Meistens. Mehr oder weniger.“
„Eleanor …“, sagte er warnend.
„Ich schreibe über dich, ja“, gab sie zu. „Ständig. Aber ich lösche die Texte immer oder schreddere sie.“
„Und warum schreibst du dann überhaupt über mich, über uns, wenn du danach deine eigenen Worte doch nur wieder zerstören musst?“
„Es sind nicht bloß Worte. Es sind Erinnerungen. Ich mag es, sie zu lesen. Sie in den Händen zu halten. Und dann kann ich sie loslassen. Zumindest ein bisschen.“
„Du wirst nie einen anderen Mann so lieben, wie du mich liebst“, sagte Søren, und auch wenn sie ihm für diese arrogante Bemerkung am liebsten eine Ohrfeige gegeben hätte, wusste sie, dass er recht hatte. „Nicht einmal Wesley. Nicht einmal ihn.“ Sørens Blick ruhte nun wieder auf Zach, der sich an der Bar mit Griffin unterhielt. „Aber ich glaube, du magst ihn lieber, als dir bewusst ist. Das muss für dich sehr beängstigend sein.“
„Es ist beängstigend“, gab sie zu. „Zach ist mein Lektor. Er ist der Erste, der mich als richtige, ernsthafte Schriftstellerin behandelt.“
„Ich habe dir schon mit siebzehn gesagt, dass du Schriftstellerin werden solltest“, erinnerte er sie.
Die Erinnerung an diese Episode ließ sie lächeln. Sie hatte für den Englischunterricht eine Kurzgeschichte geschrieben, die sie in der katholischen Schule in große Schwierigkeiten gebracht hatte. Es war nur der Intervention ihres Priesters zu verdanken, dass man sie nicht vor ein ganzes Team aus Ärzten und psychiatrischen Gutachtern gezerrt hatte.
„Ich nehme an, du warst ein wenig voreingenommen, weil ich involviert war.“
„Vielleicht war ich das“, gab er mit einem Lächeln zu. „Aber ich erkenne Talent, wenn ich es sehe. Und was wirst du jetzt mit ihm machen?“ Søren nickte zu Zach.
Nora beobachtete Zach durch den Spiegel. Griffin lehnte sich gerade zu ihm herüber, und Zach schaffte es, ohne sich zu bewegen, sich zurückzuziehen – eine sehr englische Fähigkeit.
„Es geht dieses Mal nicht nur um Sex. Also, nicht ganz. Zach hat auch Geheimnisse, und zwar ziemlich schlimme. Ich will ihm helfen, aber ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll. Was denkst du?“
Søren sah sie an, und sie musste gegen ihr antrainiertes Verhalten ankämpfen, um nicht den Blick zu senken. Früher hätte sie in einem privaten Moment wie diesem nie gewagt, ihm in die Augen zu schauen, wenn er es nicht erlaubte. Aber das war lange her.
Søren seufzte und schüttelte den Kopf. „Meine Eleanor – irgendwann werde ich es vielleicht auch einmal schaffen, dir einen Wunsch abzuschlagen.“
Mit diesen Worten trat Søren neben sie. Sie beobachtete seine Miene, während er Zach durch den Spiegel betrachtete. Sie war bisher noch niemandem begegnet, der so scharfsinnig war wie Søren. Er konnte mit nur einem Blick die Tiefen einer Seele ausloten. Er hatte von dem Moment an, als sie sich das erste Mal begegneten, gewusst, was sie werden würde. Das war seither immer ihre liebste Gutenachtgeschichte gewesen. „Erzähl mir, wie das damals war“, hatte sie gebettelt. „Eleanor“, begann er, weil er jede seiner Geschichten in der dritten Person erzählte, „hatte die Ärmel über ihre Hände nach unten gezogen. Aber als sie nach dem Becher griff, rutschte der Ärmel nach oben, und er sah, was sie war.“ Nora unterbrach ihn an der Stelle immer: „Was war sie?“ Und Søren zog sie daraufhin in seine Arme und antwortete: „Sie war mein.“
„Schuld.“ Sørens Behauptung riss sie aus den nostalgischen Gedanken. „Eine alte Schuld. Er trägt schwer daran, als habe er noch nicht gelernt, damit umzugehen. Er hat kein Verbrechen begangen, obwohl er vielleicht glaubt, es sei eins.“
„Eine alte Schuld – die muss ich ihm wohl entlocken“, sagte sie. Es
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