Das Los: Thriller (German Edition)
wirklich verärgert.
Ein lautes Lachen hallte tausendfach von den Wänden und Dächern der Kirche wider. »Im Gegenteil, ich möchte Euch die Augen öffnen. So wie ich es sehe, haben wir beide ein Interesse daran, dass Antonio mit seiner Lotterie hier in Berlin scheitert. Und ich kann Euch dabei helfen.«
»Wie kommt Ihr darauf, dass ich Calzabigi scheitern sehen möchte? Ich bin Kontrolleur der Lotterie. Also ist sein Erfolg auch der meine.«
»Sehr geschickt. Ihr seid vorsichtig«, lobte ihn der unsichtbare Fremde. »Aber warum wäret Ihr sonst gekommen? Zudem frage ich mich, ob Ihr wisst, dass der König vor Kurzem einen detaillierten Plan für die Verpachtung des Tabakmonopols von Calzabigi erhalten hat. Und für die Gründung einer Bank. Wie ich hörte, soll der König davon sehr angetan sein!«
Hainchelin spürte einen dumpfen Schmerz, der ihn durchfuhr, als habe der Fremde ihm ein Messer in das Herz geworfen.
»Ihr wusstet es nicht?«, fuhr der andere fort. »Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, Calzabigi würde Euch diese Geschäfte nicht streitig machen wollen?« Die Stimme klang amüsiert. Wieder ertönte ein Lachen, das Hainchelin diesmal in den Ohren wehtat.
Der Unbekannte musste nun ganz nah sein; fast glaubte Hainchelin, seinen Atem zu hören. Er hob die Lampe, doch alles, was sie erhellte, war die Dunkelheit.
»Woher weiß ich, dass ich Euch trauen kann?«, fragte er.
»Was glaubt Ihr, warum Antonio in Brüssel Bankrott machte?«
»Dahinter stecktet Ihr?«
Hainchelin wartete vergeblich auf eine Antwort. Er glaubte, direkt hinter sich das Knirschen eines Steins unter einer Schuhsohle zu hören, und fuhr herum.
»Was hat Calzabigi Euch getan?«, fragte Hainchelin.
Diesmal kam die Antwort prompt: »Mein Motiv müsst Ihr nicht kennen.«
»Und wie ist Euer Plan?«
»Um einige Dinge werde ich mich selbst kümmern. Dafür brauche ich Euch nicht. Signora di Calzabigi wird mich schon bald kennenlernen. Für andere Dinge will ich Euch die Gelegenheit geben, Calzabigi zu sabotieren.«
»Und wie soll eine solche Sabotage aussehen?«
»Wie ich mir vorstelle, wird unser beider Freund an dem Gewinn einer jeden Ziehung für die Staatskasse gemessen, richtig?«
»Das ist kein Geheimnis«, entgegnete Hainchelin immer noch misstrauisch.
»Nun, ich wüsste eine Methode, den Gewinn zu beeinflussen.« Erstmals klang der Mann im Dunkeln zögerlich, und Hainchelin wusste auch warum.
»Ihr meint, den Gewinn der Staatskasse zu schmälern? Das wäre Betrug am König!«, rief Hainchelin empört aus.
»Das kann man so sehen«, bestätigte der Italiener. »Oder auch nicht«, fügte er hinzu. »Stellt Euch vor, Calzabigi führt die Lotterie, womit wir beide sicher rechnen, früher oder später in den Bankrott. Welchen Schaden wird der König dann erst erleiden! Gelingt es Euch aber, Calzabigi aufgrund von ein paar Verlusten oder auch nur wegen weniger Gewinn bei jeder Ziehung aus Berlin zu verjagen, rettet Ihr damit am Ende die Schatulle des Königs!«
Nun war es Hainchelin, der schwieg.
»Also, seid Ihr interessiert? Sonst gehen wir beide unseres Weges und vergessen diese Unterhaltung.«
Hainchelin vernahm sich schnell entfernende Schritte.
»Bleibt!«, rief er. »Wie soll das funktionieren, was Ihr mir vorschlagen wollt?«
Die Schritte verstummten.
»Nun, es ist ganz einfach. Man muss nur zurück in die Vergangenheit reisen. Stellt Euch vor, Ihr kämet aus der Zukunft, und Ihr würdet alle gezogenen Zahlen der Lotterie kennen. Wie leicht würde es Euch als Zeitreisendem fallen, große Gewinne zu erzielen!«
»Das ist Unsinn!«, erwiderte Hainchelin. »Es ist ganz unmöglich, in die Zukunft oder die Vergangenheit zu reisen. Ihr verspottet mich!«
Wieder hallte das Lachen des Fremden durch das halb fertige Kirchenschiff.
»Nein und ja! Bei dieser Lotterie ist es sehr wohl möglich. Und zwar mit einem schnellen Gaul! Wenn die Ziehung der glücklichen Zahlen in Berlin gelaufen ist, die Einsätze mit den Losen von den äußersten Einnahmestellen des Landes sich aber noch in Postsäcken auf dem Weg zum Lotterieamt in Berlin befinden, dann braucht derjenige, der schnell im Geiste und zu Pferde ist, nur zu einer der nächsten Poststationen zu reiten, den dortigen Postmeister zu bestechen und auf den Spielerlisten in den Briefbeuteln die richtigen Gewinnnummern einzutragen. Wenn diese danach Berlin erreichen, werden sie den Spielern ganz außerordentliche Gewinne bescheren, und Euer Calzabigi wird tief in die
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