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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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sie es nicht mehr rechtzeitig nach Berlin!«
    Er bog die hüfthohen Grashalme vor ihnen zur Seite, sodass der Blick auf das Haus und die angrenzenden Ställe frei war. Langsam brach die Dunkelheit herein, und die Umrisse der Gebäude verschwammen allmählich mit dem Himmel. Irgendwo hinter ihnen erklang das unruhige Wiehern eines der Pferde, was sogleich durch einen zischenden Laut eines Soldaten übertönt wurde.
    »Seid Ihr sicher, dass jemand kommt?«, fragte Charles und fasste sich an den Rücken. Der schnelle Ritt hatte seinen jungen Knochen zugesetzt.
    Sie lagen beide bäuchlings auf einer Pferdedecke, die Calzabigi notdürftig auf dem niedrigeren Gras ausgebreitet hatte und die mit der einbrechenden Dunkelheit langsam feucht wurde. Noch während die Ziehung auf der Rampe vor dem Lotterieamt im Gange war, hatte Calzabigi sich unter einem Vorwand verabschiedet. Dann war er rasch mit Charles, dessen Aufgabe bei der Auslosung diesmal von einem anderen Waisenkind übernommen worden war, sowie einem Haufen Soldaten, die der König ihm zur Verfügung gestellt hatte, in Berlin losgeritten, um rechtzeitig vor Sonnenuntergang die Poststation hier zu erreichen. Sie lag südöstlich von der Stadt, und über sie wurden sämtliche Postbeutel mit den Losen aus den Provinzen geliefert, bei denen es in letzter Zeit auffällig viele hohe Gewinne gegeben hatte.
    Stundenlang hatte Calzabigi im Lotterieamt vor der Karte mit den Einnahmestellen gesessen und sich wieder und wieder die Haare gerauft, um sich die hohen, völlig unwahrscheinlichen Gewinne zu erklären. Er wusste, dass irgendetwas nicht stimmte, kam aber nicht darauf, wie man die Lotterie betrügen konnte. Bis er die Gewinne auf einer Karte mit Nadeln markiert hatte und ihm aufgefallen war, dass nahezu alle Lottoscheine, auf die hohe Gewinne entfielen, über dieselbe Poststation ins Lotterieamt nach Berlin transportiert wurden. Selbst da hatte er den Betrug noch nicht durchblickt – bis es am späten Abend der letzten Ziehung an seinem Zimmer geklopft und ein Bote den Sack mit Losen ausnahmsweise nicht beim Paketmeister, der mit einer Erkältung ausgefallen war, sondern bei ihm abgegeben hatte. Da war ihm erst richtig bewusst geworden, dass die letzten Lose erst nach der Ziehung eingingen, und noch bevor er den Sack geöffnet hatte, war ihm klar gewesen, dass der große Beutel zahlreiche Amben und Ternen enthalten würde. Nach der Überprüfung dieser Lose hatte er endlich verstanden, wie der Schwindel vor sich ging.
    Nun lag er mit Charles und sieben schwer bewaffneten Männern der königlichen Garde auf der Lauer.
    »Und wenn doch niemand kommt?«, jammerte der Junge erneut.
    »Es wird jemand kommen, vertraue mir«, entgegnete Calzabigi voller Zuversicht. Für einen Augenblick glaubte er, das Geräusch galoppierender Pferdehufe zu vernehmen, doch es war nur der Wind, der über das Gras strich.
    Eine Weile schwiegen sie.
    »Hat die Signora eigentlich einmal mit dir über mich gesprochen?«, fragte Calzabigi; er versuchte, so unverfänglich wie nur möglich zu klingen.
    Charles stocherte mittlerweile mit einem kurzen Stock nach einem großen Grashüpfer, dem ein Bein zu fehlen schien und der verzweifelt versuchte, den Angriffen auszuweichen. »Wie meint Ihr das?«, fragte Charles, ohne Calzabigi anzuschauen.
    »Was sagt die Signora, wenn sie über mich spricht? Meinst du, sie mag mich?«, formulierte Calzabigi seine Frage neu.
    In der Ferne bellte aufgeregt ein Hund.
    »Ich glaube schon«, antwortete Charles gelangweilt. »Sie meint, Ihr seid sehr großzügig und hättet ein gutes Herz.«
    »Das hat sie gesagt?«, rief Calzabigi etwas zu laut aus.
    Von hinten ertönte erneut das zischende Geräusch aus dem Mund eines der Soldaten.
    Der Grashüpfer hatte sich unterdessen mit dem Feind verbündet und krallte sich mit seinen verbliebenen Extremitäten an den Stock, den Charles vor seinem Gesicht prüfend in die Höhe hob.
    »Und dass Sie Euch bemitleidet, weil Euch das Glück fehlt«, fügte Charles mit stoischer Ruhe hinzu. In diesem Moment verlor der Grashüpfer den Halt und stürzte zurück in das Gras.
    »Sie bemitleidet mich?«, sagte Calzabigi, wobei er mehr zu sich sprach. »Da wird sie sich wundern. Ich habe hunderttausend frische Taler in die Lottokasse eingezahlt. Mit dem Geld können wir die Lotterie bewerben und die Anzahl der Teilnehmer verdoppeln! Und wir haben abgeschafft, dass die Einnehmer die Gewinne verauslagen müssen, sodass dieses Pack nun sehr viel

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