Das Los: Thriller (German Edition)
Hüfte.
»Hallo, sind Sie noch dran?«, fragte die Frau von der Rezeption.
»Bringen Sie mir zwei Clubsandwiches und zwei Flaschen deutsches Bier«, bat Trisha.
»Sehr wohl«, antwortete die Rezeptionistin.
Trisha legte auf. Sie behielt das Telefon aber in der Hand und machte zwei vorsichtige Schritte nach vorn, wo sie neben einem der schlichten Sessel stehen blieb. Es war besser, auf der Hut zu sein und den Mann, der sich hier als Henri Freihold ausgab, erst einmal zu testen.
»Henri Freihold«, sagte sie und fügte hinzu: »Ich dachte, du sitzt im …«
»… Knast? Bis gestern stimmte das auch, aber dann habe ich entschieden, auszuchecken«, antwortete der Mann und quälte sich ein Lächeln auf die Lippen.
»Warum?«, fragte Trisha.
»Warum man aus dem Gefängnis ausbricht?« Er stieß ein sarkastisches Lachen aus. »Was ist das denn für eine Frage?«
Trisha nickte. Tatsächlich klang ihre Frage weniger klug, als sie gemeint war. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie in Gegenwart des Fremden nur einen Bademantel trug. Ein wenig verlegen zog sie das Kleidungsstück enger um sich und ließ sich mit einer Pobacke auf der Sessellehne nieder.
»Und wie hast du mich gefunden?«, erkundigte sie sich misstrauisch.
»Was wolltest du vorhin in Santa Fu? Von mir?«, erwiderte Henri.
»Woher weißt du, dass ich dich wegen der Lotterie besuchen wollte?«, konterte Trisha mit einer weiteren Frage; diesmal war ihr Tonfall noch argwöhnischer.
»Und woher kennst du meinen Namen?« Henris Augen verengten sich und fixierten sie.
Sie kannte diese Geste vom Pokern, wenn jemand gleichzeitig überlegen und angsteinflößend wirken wollte.
»Wer hat den Mönch getötet? Hast du damit was zu tun?«, schoss es aus ihr heraus.
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, riss Henri die Augen weit auf. Er schien überrascht vom Tod des Mönchs zu sein. Oder aber er war ein guter Schauspieler.
»Er … ist … tot?«, fragte er in abgehackten Worten.
»Ermordet. Und seine letzten Worte waren ›Henri, mein Freund‹.«
Sie beobachtete seine Reaktion genau. Er wirkte immer noch ehrlich überrascht.
»Das waren seine letzten Worte?« Henri schüttelte den Kopf. »Dann bin ich ihm mehr ans Herz gewachsen, als ich gedacht habe.«
»Also war er schon bei dir, und du hast auch ein Los für die Lotterie gezeichnet?«, folgerte sie.
Henri starrte sie einen Augenblick lang an, dann winkte er ab. »Was ist das hier? Das große Fragenduell? Vielleicht beantwortest du erst einmal meine Fragen!«
Er hatte sich ein wenig ärgerlich im Sessel aufgerichtet, verzog aber sogleich wieder das Gesicht und fasste sich erneut an die Seite. Trisha ignorierte es.
»Ich bin kein entflohener Strafgefangener«, sagte sie mit einem spöttischen Unterton. »In den nächsten zwei Minuten klopft es an der Tür hinter mir, und dann steht dort der Zimmerservice. Entweder wir essen danach zusammen jeder ein Sandwich und trinken dazu ein Bier, oder aber du gehst zurück in den Knast. Und hast zwei weitere Anklagen wegen Hausfriedensbruch und versuchter Vergewaltigung am Hals!«
Nun war sie es, die versuchte, einen möglichst überzeugenden Blick aufzusetzen. Bluffen war ihre große Stärke.
»Versuchte Vergewaltigung?«, wiederholte Henri belustigt.
Doch sein Lächeln gefror, als Trisha die Augenbrauen hob und mit einer bedeutungsvollen Geste auf ihren Bademantel zeigte. Einen Moment lang war es still im Raum. Henri musterte sie mit besorgtem Blick, als wolle er abschätzen, wie ernst sie es meinte. Dann kehrte plötzlich ein Lächeln in sein Gesicht zurück.
»Dann entscheide ich mich für das Clubsandwich und das Bier«, sagte er. »Sorry, ich habe vergessen, wie es ist, mit einer Frau zu diskutieren.«
Trisha nickte zufrieden, blieb aber streng. »Dann möchte ich jetzt wissen, woher du von mir weißt und wie du mich gefunden hast – und zwar in Kurzform. Bevor der Zimmerservice kommt.«
Henri überlegte kurz. »Geraten, Regenschirm«, sagte er dann, und als Trisha ihm einen verständnislosen Blick zuwarf, ergänzte er: »Das war die Kurzform. Die Langform lautet: Ich habe geraten, dass du mich wegen dieser Lotterie besuchen wolltest. Ein Jahrzehnt lang bekomme ich keinen einzigen Besuch, und dann fragen innerhalb kurzer Zeit ein dicker Mönch und ein hübsches Mädchen nach mir. Das kann nur was mit Glück zu tun haben.«
Bei den letzten Worten grinste Henri und machte anschließend kurz Pause, um Luft zu holen. Trisha spürte so etwas wie
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