Das Los: Thriller (German Edition)
fragte Dr. Reid.
»Auf mich wurde geschossen«, antwortete Carter. Das Sprechen schmerzte – überall.
»Richtig. Dazu werden Sie gleich noch zwei Officer vom NYPD befragen, die draußen bereits warten. Ich gehe mit Ihnen kurz die medizinische Situation durch.«
»Bin ich gelähmt oder so was?«, fragte Carter besorgt.
Dr. Reid lächelte. »Nein, da kann ich Sie beruhigen. Es wurden keine Wirbel verletzt. Allerdings …« Der Doktor setzte eine ernstere Miene auf.
»Was?«, fragte Carter ungeduldig.
»Zwei Kugeln waren harmlos. Es wurde ein ziemlich kleines Kaliber verwendet, sogenannte Low-velocity-Geschosse , die in der Regel geringe Schäden im Gewebe hinterlassen. Sie haben einen Steckschuss und einen Streifschuss am Oberschenkel erlitten. Beides nicht schlimm. Es wurden keine Arterien verletzt. Eine weitere Kugel ist jedoch am Beckenknochen abgeprallt und in ihrer rechten Niere stecken geblieben.«
»In meiner Niere?«, rief Carter, der Schlimmes befürchtete.
Dr. Reid nickte. »Wir haben alles getan, um die Niere zu retten. Das Projektil steckte ziemlich mittig. Wegen einer vital bedrohlichen Blutung mussten wir letztlich eine Nephrektomie durchführen.«
»Was meinen Sie damit?«
Dr. Reid blickte ihn mitfühlend an. »Wir mussten die Niere leider entfernen.«
Carter versuchte tief einzuatmen, doch auch dies schmerzte zu sehr. Er dachte kurz über die neue Information nach, dann erklärte er: »Soweit ich weiß, hat man zwei davon. Also kein Problem, oder?«
Der Doktor verzog den Mund. »Normalerweise ist es so«, bestätigte er.
»Aber?« Langsam fühlte Carter Panik in sich aufsteigen. Versuchte man ihm hier schonend etwas beizubringen?
»Wir haben festgestellt, dass Sie an einer Insuffizienz der anderen Niere leiden.«
»Und das bedeutet?«, fragte Carter gereizt. Sein Blick fiel auf die beiden anderen Ärzte, die ihre Hände tief in den Taschen ihrer Arztkittel vergraben und Mitleidsmienen aufgesetzt hatten. Die Rolle des Bedauerten war ihm jedoch zuwider.
»Das können wir noch nicht genau sagen. Aber so, wie es aussieht, werden Sie über kurz oder lang eine neue Niere benötigen.«
»Eine neue Niere?«, wiederholte Carter. Die Salamitaktik von Dr. Reid führte dazu, dass er sich langsam richtig Sorgen machte. »Sie meinen, eine Spenderniere?«
Der Doktor nickte.
Carter sank mit dem Kopf tiefer in das Kissen und schaute zur Decke, in der er kleine Poren erkannte. Dann wandte er sich wieder zu den Ärzten, die ihn nun schweigend beobachteten.
»Können wir das gleich machen? Ich meine, in den nächsten Tagen?«, fragte Carter. Wenn eine Organtransplantation notwendig war, wollte er sie so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Der Doktor lächelte freundlich. »Leider nein. So eine Transplantation ist eine komplizierte Angelegenheit. Haben Sie einen Verwandten, der eventuell zu so einer Organspende bereit wäre? Eltern, Geschwister, Ehefrau? Natürlich vorausgesetzt, deren Organe sind geeignet.«
Carter schüttelte den Kopf.
»Dann setzen wir Sie auf eine Warteliste. Leider gibt es mehr Bedarf an Nieren, als Spenderorgane zur Verfügung stehen. Die Wartezeiten betragen in der Regel vier bis sechs Jahre. Mindestens.«
»Jahre?« Carter spürte, wie trotz seines desolaten Zustandes Wut ihn ihm aufstieg. »Und wenn ich vorher … Sie wissen schon …«
»Sie werden Dialyse machen«, antwortete Dr. Reid. »Dazu haben wir Ihnen bereits operativ einen sogenannten Dialyse-Shunt gelegt, eine Kurzschlussverbindung zwischen Arterie und Vene. Und wenn diese nicht genügt … Nun, es gibt eine Sortierung nach Dringlichkeit auf der Warteliste.«
»Sie meinen Blutwäsche? An Maschinen?«
»So kann man es auch ausdrücken. Aber die Medizin ist dabei sehr weit.«
Carter war plötzlich zum Weinen zumute. Es musste an den Medikamenten liegen. Er versuchte, dennoch zu lächeln. Ein alter Reflex als Finanzjongleur.
»Verstehe …«, sagte er.
Es klopfte. Ein Officer in Uniform stand in der offenen Tür und pochte gegen den Rahmen. Daneben stand ein kleiner Mann, der einen grauen Anzug und einen modischen Trenchcoat trug.
»Officer McMillen. Sie hatten angerufen, Doc«, sagte der Größere in einem freundlichen Tonfall.
»Ja, genau. Wir sind auch schon fertig. Warten Sie bitte noch eine Sekunde«, entgegnete Dr. Reid ebenso höflich. Als die beiden Polizisten sich entfernten, wandte der Arzt sich wieder seinem Patienten zu. »Das sind die Officer, die ein paar Fragen haben, damit der Täter
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