Das Los: Thriller (German Edition)
Kleidungsstücke und verschwand damit ins Badezimmer. Nachdem sie die Tür hinter sich zugeschlossen hatte, legte sie ein Ohr an das kalte Holz und lauschte. Sie glaubte, das Zischen eines Kronenkorkens zu hören. Dann schepperte Geschirr. Henri schien sich tatsächlich seinem Essen zu widmen.
Rasch griff sie nach ihrem Handy und wählte Chads Nummer, doch es meldete sich nur seine Mailbox. Kurz entschlossen tippte sie eine Nachricht an ihn: Ruf mich an! Habe Henri Freihold gefunden!
Bevor sie die SMS abschickte, erfasste sie erneut ein komisches Gefühl, doch sie verscheuchte es und drückte auf Senden .
Während sie ihren Bademantel ablegte, fiel ihr auf, dass sie gar nicht wusste, warum dieser Henri eigentlich im Gefängnis gesessen hatte. Jetzt war er nebenan in ihrem Hotelzimmer. Bei dem Gedanken beeilte sie sich, in ihre Klamotten zu kommen.
Dann dachte sie an ihre Mutter. Als Teenager war sie eine Zeit lang mit den Schulschwänzern um die Häuser gezogen, und damals hatte ihre Mutter ihr prophezeit, dass ihr Faible für die »bösen Jungs« ihr früher oder später die Zukunft kosten würde. Wenn nicht gar Schlimmeres …
Blieb zu hoffen, dass Mütter sich auch irren konnten.
47
N EW Y ORK C ITY
»Mr. Carter?«
Es fühlte sich richtig gut an. Der Sand war warm und weich und schmiegte sich perfekt an seinen Körper. Die Sonne brannte in sein Gesicht und ließ das Schwarz, in das er mit geschlossenen Augen blickte, blutrot erscheinen. Lediglich das Ding in seinem Mund störte ihn, er bekam es aber beim besten Willen nicht zu fassen. Kurz überlegte er, ob es seine Sonnenbrille war, die da in seinen Rachen gerutscht war und nun senkrecht zwischen seinen Zähnen emporragte. Irgendwann gab er es auf. Hier ließ es sich auch mit einer Sonnenbrille im Schlund aushalten. Ein Moskito oder eine Bremse schien ihn in die Armbeuge gestochen zu haben. Sonst war sein Tag jedoch perfekt. Irgendjemand stellte sich in die Sonne und warf Schatten auf ihn. Sogleich wurde ihm kalt. Verdammt kalt. Was für ein Arschloch! Vorbei der schöne Moment.
»Mr. Carter? Können Sie mich hören?«
Er schlug die Augen auf.
Der Mann trug einen weißen Kittel, wie ein Eisverkäufer oder – wie ein Arzt.
»Sie befinden sich im Lenox Hill Hospital, Mr. Carter. Mein Name ist Doktor Reid. Bleiben Sie ruhig, alles wird gut.«
Carter wollte etwas sagen, konnte jedoch nicht. Dann drehte der Eisverkäufer sich um, türmte mehrere Kugeln Eis auf eine Waffel und hielt sie ihm hin.
»Das macht zwölf Milliarden Dollar, Mr. Carter, mit Streusel fünfzehn Milliarden«, sagte er und begann infernalisch zu lachen.
Als er das nächste Mal erwachte, war die Sonnenbrille aus seinem Hals verschwunden. Seine Augen erkannten eine Deckenlampe, die ausgeschaltet war. Ein gleichmäßiges Piepen ließ ihn erahnen, dass er in einem Krankenhaus lag. Man hatte auf ihn geschossen. Er hob den rechten Arm, jedoch nur ein Stück. Überall waren Schläuche. Kraftlos ließ er ihn wieder fallen, woraufhin er stechende Schmerzen im Arm verspürte.
»Sie befinden sich im Krankenhaus, Mr. Carter«, teilte ihm eine sanfte Stimme zu seiner Linken mit.
Bedächtig drehte er seinen Kopf zur Seite. Sein Blick fiel auf das freundliche Gesicht einer älteren Dame, die eine hellblaue Weste trug. Er versuchte, etwas zu sagen, doch seiner Kehle entwich nur ein Röcheln.
»Das kommt vom Beatmungsgerät«, erklärte die Frau, und ihre Worte entfalteten die beabsichtigte beruhigende Wirkung.
»Ich bin Schwester Anne. Ich arbeite ehrenamtlich im Krankenhaus und habe gewartet, bis sie aufwachen. Nicht nur, weil mein Mann und ich unsere Pension in ihrem Fonds investiert haben.« Die Frau gluckste fröhlich. »Warten Sie, ich hole einen Arzt!«
Als er das dritte Mal zu sich kam, wusste er sofort, wo er war.
»Die Spritze hat gewirkt, er ist wieder da«, sagte eine Stimme, die ihm bekannt vorkam.
Wieder blickte er in das Gesicht des Arztes. Dieser trug eine modische schwarze Hornbrille. Sein Haar war weiß, aber voll, die Haut gut gebräunt.
»Mr. Carter, ich weiß nicht, ob sie sich an mich erinnern. Mein Name ist Dr. Reid, und dies sind Dr. Miller und Dr. Baskowsky.«
Jetzt erst fielen Carter zwei weitere weiß gekleidete Gestalten auf, die hinter dem Arzt standen, der mit ihm redete.
»Was habe ich?«, stieß Carter hervor und war erstaunt, dass es ihm diesmal gelang, mehr oder minder verständliche Wörter zu formen.
»Erinnern Sie sich daran, was geschehen ist?«,
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