Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
dem Mauerfall begonnen hatte, Termine für sie auszuhandeln, die Technik zu organisieren und mit Medienpartnern zu sprechen, wie stolz er gewesen war, dabei sein und ihr zuarbeiten zu können. Irgendwie tut er ihr leid. Wie er die Treppe eben hinuntergegangen ist– so langsam. In sein eigenes Leben hinein, das er wohl sofort liebend gern wieder aufgeben würde, wenn sie nur das Signal dazu gäbe…
Das Telefon klingelt.
Vielleicht einer der Musiker?
»Ja, bitte?«
Sie hört Geräusche. Wie neulich schon. Liebeslaute. Die Stimme des Mannes klingt wie die ihres eigenen. Vertraut und doch in dieser Art seltsam fremd. Geturtel nach dem Liebesakt, wie unter der Dusche klingt es von zweien, die nicht voneinander lassen mögen hinterher.
Was ist das für eine irre Person, die Freude daran hat, sie damit zu quälen? Live dabei? Macht sie das heimlich, oder weiß er davon? Sie will mich aus meiner Position drängen, denkt sie.
Sie knallt den Hörer auf.
Zu spät, denkt sie.
Kurz darauf hört sie, wie der Haustürschlüssel ins Schloss gesteckt wird. Benjamin kommt zurück, voll mit Eindrücken aus dem Zoo, den er mit der Klasse besucht hat. Wandertag in der Großstadt.
»Falls du Oskar suchst…«, stottert sie nach der Begrüßung.
»Ich weiß doch längst, dass Papa ihn wegbringen wollte«, sagt ihr Sohn. »Und weißt du, ich bin gar nicht soooo traurig. Da geht’s ihm sicher viel besser, da auf dem Bauernhof! Den Tieren im Zoo würde das auch gefallen.«
»Ja«, nickt sie. »Er ist voll der Chef da. Was ihm hier immer gefehlt hat.«
Neues Spiel und das Lügenlied vom Glück
Der große Erfolg der ostdeutschen Tournee mit den neuen Musikern und das wiedereroberte »alte« Publikum, das inzwischen schon seine Kinder mitbrachte, eröffneten mir weitere Perspektiven. Das Leben nahm erneut kräftig Fahrt auf. Die Kollegen fanden, es sei an der Zeit, dass ein professionelles Management ganzjährig Auftritte für uns organisierte. Andreas empfahl mir Renate Waschek, eine gute und zähe Booker-Managerin. Wir trafen uns und konnten uns einigen. Die ostdeutschen Musiker waren nach wie vor daran gewöhnt, von Liveauftritten zu leben – im Westen dagegen gab es das fast nur bei Liedermachern und Kleinkünstlern. In den vergangenen Jahren war ich ja nur noch sporadisch auf Tour gegangen, um ganz gezielt die Veröffentlichung eines neuen Albums voranzubringen. Eine Weile konnte ich mich deshalb zum Glück Benjamin widmen, das war mir angenehm gewesen. Jetzt aber wollte ich mich wieder daran gewöhnen, live aktiver und damit bühnenfester zu werden. Auftritte als eine Art von Training – Musik als Beruf, wie es sein sollte. Und wer glaubt, dass es keiner sei, der irrt. Nur die Zeiten, in denen man diesen Beruf ausüben kann, in denen man den Nerv trifft, die ändern sich, sind mal mehr und mal weniger sicher. 1990 war das für mich kein Thema, ich traf den Nerv. Ich hatte weitere finanzielle Einnahmen außer den Künstlerlizenzen, und meine kreative Perspektive war vielversprechend. Es gab Arbeit wie in den Anfängen meiner Laufbahn, die Musik entstand wieder zusammen mit der Band.
Und ich hatte mehr Unabhängigkeit.
Aber wie sagte mein Vater einmal so schön: Frauen sollen nicht Auto fahren, weil sie sich dann frei fühlen, zu selbstständig werden, nicht mehr Mann und Familie dienen. Was aber, wenn es nötig ist, dass vor allem die Frau die Familie ernährt?
Natürlich ist Gleichberechtigung völlig in Ordnung. Nur wenn die Frau Kinder bekommt, ist Schutz für sie nötig. Auf jeden Fall sollte sie einen Beruf haben wie der Mann, sollte finanziell möglichst selbstständig sein. Wer weiß schon, wie das Leben spielt.
Da begannen sie auch schon, neue Probleme, die sich bereits angebahnt hatten. László konnte inzwischen erste Erfolge auf dem Gebiet Fußballmanagement und Beratung verbuchen. Er hatte einen Job bei der amerikanischen Sportfirma Olsher Sports angenommen, die Einfluss im europäischen Raum anstrebte. Er war voller Tatendrang, und ich fand es gut, dass er sein eigenes Ding machte. Seit Neuestem gingen Fußballer ganz selbstverständlich bei uns ein und aus so wie bis dahin vor allem Musiker. Wir waren zwei Freiberufler unter einem Dach, die jeweiligen Büros zu Hause untergebracht, es herrschte rund um die Uhr Geschäftigkeit in der Wohnung. Stress und Reibereien blieben da nicht aus, Momente der Ruhe, Zeit füreinander waren kaum noch möglich. László konnte und wollte sein Ding machen, das war klar,
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