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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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den Kulissen folgenden Satz eines Medienmachers auf: Gott sei Dank müsse ja der MDR den gesamtdeutschen Schlagerkram »abdienen«. Eine Bemerkung, die Bände spricht. Zur besten Sendezeit bekommt man gnadenlos leichte Kost vorgesetzt. Und zwar ohne Alternative.
    Natürlich sollen alle Hörer wählen dürfen, was sie an Musik konsumieren mögen. Nur gehören zu einer Wahl eben auch die entsprechenden Alternativen – die jedoch fehlen. Warum wollen Menschen so getäuscht werden? Aus Angst vor der Realität? Ich überlasse es anderen, das professionell zu erklären. Für mich ist das nichts anderes als eine weitere Strophe des »Lügenlieds vom Glück«.

    Nach dem Auftritt im DDR-Fernsehen zwei Tage nach dem 9. November bekam ich das Angebot, eine Tournee mit dreißig Konzerten in der alten Heimat zu absolvieren. László war sofort wieder in seinem Element und kümmerte sich um das Organisatorische, ich war für die künstlerische Seite verantwortlich. Eine großartige Sache, zumal ich das Album, das ich auf dieser Tour vorstellen wollte, als mein bestes seit langer Zeit empfand.
    Gerade probte ich mit neuer Besetzung in einem Keller im alten Tempelhofer Flughafengebäude. Der Senat vermietete dort an Musiker und Bands. In meinem Probenraum konnte man sich wegen der schlechten Luft höchstens vier Stunden aufhalten. Es gab nur Belüftungsschächte, der Sauerstoff war gerade bei intensiver Arbeit schnell verbraucht.
    Die neue Band war noch nicht fit genug für Konzerte. Vor allem fehlte mir der geeignete Bandleader mit kreativem Potenzial. Wer konnte helfen? Wenngleich politisch noch alles ein einziges Durcheinander war, durchzuckte mich der Gedanke, ob wohl schon eine Zusammenarbeit mit einem Musiker und Komponisten aus dem Osten möglich war. In der Szene befand sich alles in Aufruhr, erfolgreiche Bands waren über Nacht abgestürzt, neue Jobs blieben aus. Ich dagegen konnte eine Perspektive anbieten, die Chance, die musikalische Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden. Ich suchte jemanden, der ähnliche Qualitäten zu bieten hatte wie Franz und der die unterschiedlichen musikalischen Auffassungen von deutschsprachigem Rock und Pop vereinbaren konnte.
    Ich ging mit Elan auf die Suche, stellte aber rasch fest, dass es nicht viele gab, die dafür infrage kamen. Da erinnerte ich mich an einen begabten Musiker, dem ich 1979 in einer TV-Sendung begegnet war. Damals war er ein junger Kerl von gerade mal achtzehn Jahren gewesen und hatte in der Band von Angelika Mann, »der Lütten«, gespielt, einer netten Kollegin. Unter Musikern galt er vor zehn Jahren schon als Geheimtipp, er konnte komponieren, spielte ausgezeichnet Saxofon und Piano, obendrein sang er auch noch gut und hatte Leaderqualitäten. Kurz: das Multitalent Andreas Bicking.
    Ich besorgte mir seine Adresse und erfuhr, dass er kein Telefon hatte. Wie in alten Zeiten! Ich schickte also ein Telegramm. Wir trafen uns und probten mit meiner Westberliner Band. Bei den meisten Stücken spielte Andreas sofort unkompliziert mit, ihm gefiel die Musik meiner neuen CD. Meine Erinnerung an seine Fähigkeiten hatte sich also bestätigt, ich wollte unbedingt mit ihm arbeiten.
    Nach der Probe setzten wir uns zusammen und besprachen das weitere Vorgehen. Andreas machte mich darauf aufmerksam, dass mein Pianist alles in C-Dur spielte, die Tonartwechsel gar nicht aktiv mit vollzog, sondern in seinem Keyboard nur technisch modulierte – was einfacher, aber unmusikalischer war. Das war mir gar nicht aufgefallen, ich achtete auf so etwas nicht, Hauptsache, die Tonart stimmte. Andreas schlug vor, die Songs mit seiner eigenen Band zu proben. Die Jungs seien bestens eingespielt, könnten das Material sofort umsetzen und würden gern mit mir arbeiten. Bei dieser Band handelte es sich um die jüngste Besetzung von Stern Meißen, ausgerechnet!
    Menschlich mal wieder keine leichte Entscheidung, es war mir unangenehm, unserer gerade am Werden befindlichen Westberliner Band Adieu zu sagen. Aber das Gelingen der großen Tournee war zu wichtig, wir mussten mit einem Schlag fit sein. Schließlich stand mir mit der Tour auch ein Wiedersehen mit meinem alten Publikum bevor. Im Westen war deutschsprachiges Singen nach wie vor schwierig und weniger vielfältig, außerdem gab es dort nicht gerade viele Liveauftritte. Bis heute ist das so geblieben, entweder hat man dort Riesenhallen oder kleine Klubs, mittlere Größen gibt es kaum. Und bis heute ist das Konzertleben im Osten aktiver.

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