Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Mittlerweile auch für die westlichen Kollegen, sodass es inzwischen eng geworden ist, weil sich die gesamtdeutsche Livemusikszene zu großen Teilen im Osten abspielt.
Jetzt hatte ich also verrückterweise wieder mit den Sternen zu tun. Allerdings war nur der Name geblieben, mittlerweile war es eine ganz andere Band mit völlig anderem Stil. Wir firmierten wieder als Veronika Fischer & Band, das gefiel mir. In Andreas hatte ich einen begabten Kreativpartner gefunden, der obendrein jede Menge Erfahrung mitbrachte, was die dramaturgische Konzeption eines Konzerts anbelangte. Wir brauchten nicht lange, um meine neue CD bühnenfähig zu machen. Für beide Seiten war es eine Erfolg versprechende Konstellation: Ich war das »Frontgesicht«, das den jungen Kollegen von den Sternen fehlte, die Frau mit einem bekannten Namen. Die Sterne waren ja auch ins »Wiedervereinigungsloch« gefallen. Ich hingegen hatte einen Künstlervertrag und genügend »Westerfahrung«, was dem ganzen Unternehmen Schwung verleihen konnte. Außerdem jede Menge Fans im Osten, die meine »alte« Musik nach wie vor liebten. Ich gehörte zu den »vermissten« Künstlern, deren Musik in den Achtzigern in der DDR verboten war – verbotene Früchte schmecken besonders gut, und nun war ich ja wieder da! Was konnte es Besseres geben für einen Neuanfang?
Es konnte losgehen, wieder einmal! Die dreißig Auftrittsorte standen fest, alle wichtigen Städte Ostdeutschlands waren dabei. Wir verstanden es, die Lieder meiner Lieblings-West-CD von 1989 und die alten Lieder zusammenzufügen. Die Jungs spielten richtig los, so wie es mir gefiel, sie verstanden mich und meine Auffassung wortlos, es funktionierte wieder. Andreas Bicking (Piano, Saxofon und Gesang), Axel Schäfer (Bass), Frank Schirmer (Drums), Michael Lehrmann (Gitarre) und Michael Naß (Keyboards und Gesang) waren eine Supertruppe. Als ich bei den Proben die alten Lieder sang – »Guten Tag«, »Hans im Glück« oder die »Schneeflocke« –, war ich überrascht, wie zeitlos schön die Stücke sind, welche Magie nach wie vor in ihnen steckt. Nach der langen Zeit rührten sie mich ganz tief an, die Vergangenheit kam wieder hoch. Ja, ich musste mich zusammennehmen, um nicht in Tränen zu zerfließen. Auch die Kollegen ließ es nicht kalt, das merkte ich. Die Wiederbelebung dieser schönen und besonderen Musik zu einem historischen Zeitpunkt, an dem der Traum von der Vereinigung neue Perspektiven eröffnete, hatte etwas Unwirkliches.
Die Tour selbst wurde ein großer Erfolg, die Hallen waren ausverkauft, im Schnitt sahen dreitausend Leute pro Abend unsere Auftritte. Im heutigen Chemnitz wurde das Konzert in der Stadthalle sogar vom Fernsehen mitgeschnitten. Wir waren topp!
Wie immer, wenn etwas gut läuft, kommt eines zum anderen. Kurzfristig erhielt ich das Angebot, während der Tour einen Abstecher zum ersten deutsch-deutschen Fußballspiel nach dem Mauerfall zu machen. In Dresden sollten die Kicker von Dynamo gegen den FC Bayern antreten. Den Deal hatte László eingefädelt, der ja auch als Fußballmanager unterwegs war. Ich sollte etwas singen, eventuell sogar den Anstoß machen dürfen. Bundeskanzler Helmut Kohl, der »Kaiser« Franz Beckenbauer, Fritz Walther, der Held des deutschen Nachkriegsfußballs und andere hochrangige Gäste hatten sich angesagt. Außerdem – als mein musikalisches Gegenüber aus dem Westen – Udo Lindenberg. Wieder galt ich trotz meiner acht Jahre Leben in Westberlin auch hier als Vertreterin der Ex-DDR.
Wir Musiker spielten natürlich nur eine Nebenrolle als unterhaltsamer Beginn vor dem Anstoß. Wie präsentierten wir uns bei diesem Spektakel im riesigen Dynamo-Stadion am besten? Wir fuhren das Stadionrund mit verschiedenen Fahrzeugen ab, Udo Lindenberg sang die Menschen vom Hintersitz eines Mopeds aus an, ich saß in einem pinkfarbenen Cabrio, das László steuerte, und winkte den voll besetzten Rängen zu. Ich war einfach überwältigt von der Atmosphäre. Was ich sang, weiß ich gar nicht mehr, vielleicht »Hey Du«.
Auch hinter den Kulissen war die Stimmung großartig. Udo kannte ich bereits von einigen früheren Begegnungen. Einmal im Flugzeug zwischen Hamburg und Berlin hatte er neben mir gesessen und mir Zeilen aus seinem »Sonderzug nach Pankow« vorgetragen, der gerade entstand, ich sollte meine Meinung sagen und ihn bei der Auswahl beraten, hatte sozusagen bei der Geburt dabei sein dürfen. Ich schätze Udo, weil er trotz Erfolgs menschennah bleibt und
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