Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
aber ich war ebenfalls erfolgreich. Unsere Berufe setzten im Grunde die Bereitschaft des Partners voraus, dass einer zurücksteckte, um dem anderen den Rücken zu stärken. Etwas, das in erster Linie der Mann von seiner Frau einfordert, sie umgekehrt findet es nur ausnahmsweise und mit viel Glück bei ihrem Partner. Nun kollidierten unsere Bedürfnisse – und unsere Arbeitszeiten. Während ich an den Wochenenden und abends unterwegs war, ging László tagsüber seinen Verpflichtungen nach. Wir gaben uns nur noch die Klinke in die Hand. Ich spürte die zunehmende Entfremdung, die Innigkeit im Umgang miteinander ging verloren, was schmerzt, vor allem wenn ein Kind diese Entwicklung mitbekommt. Ich jonglierte noch, für Benjamin. Aber die Liebe hatte sich schleichend verabschiedet.
Von nun an öffnete ich mich wieder mehr anderen Männern. Viel Zeit war verstrichen, und ich hatte schon genug eingesteckt, obwohl auch ich zwischendurch schon mal woanders »gegessen« hatte. Das machte mich zwar nicht wirklich glücklich, doch ich war eine Frau im besten Alter und sah gut aus. Was machte ich da nur mit? Nachdem László beruflich freier wurde, besser verdiente, wollte er noch mal ins Leben. Das nahm ich ihm nicht übel. Höchstens den Stil, den er dabei an den Tag legte, das Chaos, das er damit verbreitete. Und meine vertane Mühe!
Benjamin kam allmählich in die Pubertät, und ich machte mir Sorgen, wie ich ihn ohne Vater auf den Schritt ins Erwachsenenleben vorbereiten sollte. In dieser Zeit stellte er viel Blödsinn an mit seinen Freunden, nachts fielen schon mal Außenspiegel von Autos jugendlichem Übermut zum Opfer. Vieles davon beichtete er mir, aber sicher nicht alles.
Also wurden weiter Kompromisse gesucht. Ich wollte weg aus Tempelhof, aus der Spießbürgerecke mit den sozialen Sorgen des Umfelds. Nach langem Suchen fanden wir endlich in Zehlendorf, einem Außenbezirk mit viel Grün, eine Vierraumwohnung.
Jeder bekam sein Büro und Benjamin ein Zimmer für sich. Letztlich war es nur ein Bandagieren, ohne Zukunft.
Mit dem Umzug kam Luft ins Wohnliche. Benjamin fühlte sich richtig wohl in der neuen Gegend, wollte aber unbedingt auf seinem Gymnasium in Tempelhof bleiben. Also fuhr er täglich einen längeren Weg, anfangs noch mit der U-Bahn, und als er dann achtzehn war, kaufte ich ihm ein kleines Auto. Er legte nun das typische Verhalten eines Heranwachsenden an den Tag und fummelte stundenlang an der Kiste herum, die so lange tiefergelegt wurde, bis sie beinahe auf dem Boden aufsaß. Ein dickes Auspuffrohr und entsprechende Boxen durften natürlich nicht fehlen. Wenn er aus der Schule kam, hörte ich ihn schon von Weitem anrauschen. Die Tonanlage im Innenraum rüstete er mit unverhältnismäßigen Verstärkern aus. Ich ermahnte ihn, sich nicht die Ohren zu versauen und auf den Verkehr zu achten. Aber eine Mutter kann viel reden, wenn ihr Sohn achtzehn ist. Alles egal, den Mädels muss imponiert werden. So hatte er auch einen kleinen Unfall, zum Glück passierte nicht allzu viel. Heute ist er ein umsichtiger Fahrer geworden. Anfänge bergen nun einmal Gefahren…
Auch ich fühlte mich wohl in diesem amerikanischen Viertel, in dem bis 1989 Soldaten mit ihren Familien gelebt hatten. Unter uns im Haus wohnte, ebenfalls frisch zugezogen, Elisabeth mit ihrer Familie. Sie kamen aus der Pfalz, ihr Mann hatte in Berlin Arbeit gefunden. Elisabeth, eine nette, hilfsbereite Nachbarin, musste sich genau wie ich in die Umgebung erst einleben. Wir gingen fast täglich eine Runde spazieren. Trotz ihrer großen Familie mit Mann und drei Kindern fand sie die Zeit dafür, und Nora, ihr Hund, musste ebenfalls raus. Für Elisabeth war ich ein ganz normaler Mensch, denn bis in die Pfalz war mein Ruhm nicht gelangt. Das erleichterte manches, man wird angenommen, wie man eben ist, und nicht ständig an Erfolgen gemessen. Sie half immer, wenn ich sie brauchte, Blumen gießen, mal nach Benjamin sehen oder auch nach mir, wenn ich mich nicht fühlte oder krank war. Im ganz normalen Alltag bekam sie alles mit und half unkompliziert. Und als mein Mann nicht mehr da war, spürte sie meinen Kummer und ging darauf ein.
Meine Ehe, das wurde klar, als wir uns fertig eingerichtet hatten und der Alltag wieder einkehrte, war endgültig angeknackst. Jeder beschritt zunehmend eigene Wege. Ich machte mir Gedanken über die bevorstehende Trennung und bereitete eine notariell beglaubigte Gütertrennung vor. Denn László jonglierte in seinem
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