Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
nicht abhebt, auch im Umgang mit den Kollegen. Sein unermüdliches Interesse an den Menschen der DDR half ihnen, sich nicht vergessen zu fühlen. Mit Udo zusammen musste man trinkfest sein und nachtaktiv, da war er zweifellos stabiler als ich.
In jener Nacht ging es nicht vor vier Uhr ins Bett. In der Früh hatte ich dicke Augen, das Interview mit Foto fand trotzdem statt. Damals litt mein Äußeres noch nicht, das steckte ich weg. Heute sieht das anders aus. Da sieht man gleich, wie man geschlafen hat. Gemein.
Aber zurück ins Stadion: Wir beglückten also die Fußballfans mit unserer Anwesenheit und huldigten dem Ereignis. Helmut Kohl reichte mir die größte Hand, die mir je begegnet ist, meine versank darin. Auch Franz Beckenbauer schüttelte ich die Hände – er hatte ein nettes Lächeln für mich, flirtete, was mir nicht unangenehm war, ich passte wohl in sein Beuteschema. Wie ich zu dieser Ehre kam, ist mir bis heute ein Rätsel, vielleicht wollten es die Dresdner so. Dann durfte ich tatsächlich den Ball zum Spiel ankicken, bevor mich László in aller Eile zum Flughafen fuhr, wo ein kleiner Privatjet auf mich wartete, den der DFB gesponsert hatte. Damit flog ich nach Erfurt, wo ich am Abend eines der letzten Konzerte vor Tourneeschluss geben sollte. Dieser Flug war ein echtes Erlebnis: Pilot, Kopilotin und ich als einziger Passagier. Wie im Inneren eines Vogels über den Wolken, nah am Himmel. In den großen Maschinen bekommt man das Elementare nicht so mit wie in dieser kleinen, die viel empfindlicher, unruhiger, von Wetterschichten beeinflussbarer ist. Fast spielte der Wind damit.
Kurz vor der Landung in Erfurt wurde ich sogar von den Lotsen im Tower persönlich begrüßt, eine nette Geste.
Die Kollegen in der Konzerthalle warteten schon mit dem Soundcheck auf mich. Es wurde ein schöner Abend. Bis heute spiele ich fast regelmäßig einmal im Jahr in Erfurt. Dank an mein treues Publikum. Es ist eben ein Stück Heimat.
Dieser Tag bleibt unvergesslich.
»Es wäre nicht mehr gegangen«, sagt der Mann drängend. Er steht im Flur, und einen leeren Katzenkorb in der Hand lässt er die Schultern hängen. »Da, wo er jetzt ist, fühlen Tiere sich einfach wohler, auf dem Bauernhof.«
Es geht um Oskar, den Kater. Der Vater hat eine Abwesenheit des Kindes genutzt, um ihn wegzuschaffen. Die Mutter findet das ja vernünftig, aber gefallen tut es ihr nicht. Und das Kind wird enttäuscht sein.
»Du, und ich hatte den Eindruck, der hat gleich den Chef gemiemt da auf dem Hof«, sagt der Mann jetzt und lacht ein bisschen verlegen, »der hat die zwei Ziegen und andere Katzen geradezu rumkommandiert. Vom ersten Moment an. Sogar die Hündin hat ihren Schwanz eingezogen vor ihm!«
Seine Augen blitzen.
»Erzähl das Benjamin«, sagt sie, »vielleicht tröstet ihn das.«
»Eine Stadtwohnung ist nichts für einen Kater. Er braucht seine Freiheit. Hier in der Wohnung hat er doch nur alles zerkratzt!« Der Mann deutet anklagend auf die Tapete im Wohnzimmer.
»Ja, deine Zehen nicht zu vergessen«, lacht sie. Dann blickt sie ihn ernst an.
»Bleibst du heute Abend hier?«
»Ich muss noch mal los«, sagt er. Er stellt den Katzenkorb ab, zieht den Autoschlüssel aus der Hosentasche und greift nach der Türklinke.
»Es wird spät werden, oder?«, fragt sie spöttisch und geht zwei Schritt auf ihn zu.
»Vemutlich, ja«, nickt er, schon halb aus der Tür hinaus.
»Was gibt es denn so Wichtiges?«
»Ach, das Übliche, Treff mit den Olsher-Chefs, Essen, Verträge besprechen«, sagt er wegwerfend, »na, du weißt schon…«
Eigentlich weiß sie gar nichts. Und er weiß das genau.
Ungehalten dreht er sich noch einmal um.
»Du wolltest schließlich nicht, dass die Tournee über mich läuft!«
Er hat recht. Obwohl die Tournee durch die alte Heimat sehr gut gelaufen war, konnte sie den Verdacht nicht loswerden, dass ihre Geschäftspartner ihn wie einen Außenseiter behandelten. Und sie hatte das Gefühl, dass er besser etwas Eigenes tun sollte.
Sie hält sich am Türrahmen fest. Schaut ihn an, zornig.
»Bist du sicher, dass ich dich nicht gleich wieder am Telefon habe?«
»Was soll die Frage?«
Er weiß genau, warum sie das fragt.
»Du tickst doch nicht richtig. So was macht niemand. Die macht so was nicht…«, murmelt er, dreht sich um und geht die Treppe hinunter. Bemüht langsam, um keineswegs den Eindruck zu erwecken, als würde er fliehen.
Sie schließt die Tür, leise. Sie muss daran denken, wie freudig er nach
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