Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
im Viervierteltakt. Da wird 1-2-3-4 eingezählt, tja …
Die Hochrechnungen über Gewinner und Verlierer des Musikbetriebs, die in der kleinen DDR ebenso auf Hochtouren ratterten wie in anderen größeren Ländern auch, spuckten Zahlen zu unseren Gunsten aus: »Die Redaktion Jugendmusik von ›Stimme der DDR‹ hat, ausgehend von den allwöchentlichen Platzierungen im DT Metronom , der Radio-DDR-Tipp-Parade , der Beatkiste und des Rhythmus nach halb acht , mit Hilfe des Punktsystems ermittelt, wie die DDR-Jahres-Hitliste 1975 aussieht – unter den ersten zehn Titeln sind drei von Veronika Fischer & Band!«
War ich glücklich in diesem ganzen Trubel?
Die Anerkennung jedenfalls fiel reichlich aus: »›Dunkelheit mag ich nicht. Hell muss es sein. Wenn es draußen hell ist, dann ist es auch in meinem Innern hell. Dann wird die Seele groß. Dann lebe ich…‹ Das sagte am 6. November, vormittags, Veronika Fischer. Ihre Musik genießt man nicht wie einen Honigbonbon, der ohne weiteres auf der Zunge zergeht. Ihre Musik ist nicht nur für den Bauch, für den Kopf ist sie auch. Veronika Fischer – das ist sie und ihre Band. Dufte Musikanten und sie – die Sängerin.« So formulierte das 1976 der Journalist Bernhard Hönig.
Glückliche Augen, die mich anschauten, sah ich oft, wenn wir spielten. Musikalisch konnte ich mich vervollkommnen. Textlich fanden wir meistens die nötigen Kompromisse, um trotz Kontrolle und Druck das Lebensgefühl festzuhalten, das wir empfanden. Wir verdienten gut, brachten dafür aber auch Leistung. Wir spielten viel, sehr viel, was durchaus im Sinne der Musiker war, aber nicht immer im Sinne der Sängerin. Da die Sängerin noch nicht den unternehmerischen Durchblick hatte, unterbreitete sie den Kollegen auch nicht die Notwendigkeit ihrer Beteiligung an den Kosten für die Technik. Denn trotz des Erfolges gab unser Budget manchmal einfach nicht genug her, um den Betrieb am Laufen zu halten. Die Kosten für Technik und Transport waren hoch. Dass wir die Last anders hätten verteilen können, daran wollte ich nicht rühren. László hatte mich wiederholt darauf angesprochen, aber ich war nicht in der Lage, von den anderen diese – eigentlich selbstverständliche – Mitverantwortung einzufordern.
Um überhaupt Konzerte geben zu können, mussten wir wie ein Unternehmen funktionieren. Aber wir durften kein Unternehmen sein . Man kann sich das heute kaum vorstellen, doch wir waren zum Beispiel an den Gewinnen, die ein Veranstalter mit einem Konzert machte, nicht beteiligt. Wir bekamen eine vorher festgelegte Gage, egal ob die Einnahme aus vielen tausend verkauften Eintrittskarten um ein Vielfaches über dieser Summe lag. Fairerweise muss man sagen: Die Eintrittspreise waren sehr niedrig, was zur Folge hatte, dass manche Veranstalter ihrerseits staatlich unterstützt werden mussten. Dadurch wurde ein breites kulturelles Leben überhaupt erst möglich.
Grundsätzlich galt: Jede gewinnorientierte Einstellung wurde ausgebremst. So sagte Peter Czerny, der Chef der »Generaldirektion für Unterhaltungskunst«, einmal bei einem Arbeitsgespräch in klassischem Sächsisch zu László: »Herr Kläber, führ’n Se bloß keine kabidalist’schen Mäthod’n ein…« Was sollte man diesem Mann antworten? Wir sahen uns an, bissen uns auf die Zungen und schluckten die Kröte.
Ich musste lernen, dass meine Arbeit in meinem Land finanziell kaum Anerkennung fand. Es gab keinen Leistungsschutz für ausführende Künstler. Die DDR nahm sich heraus, die von den Interpreten (und Musikern) eingespielten Gelder einfach einzubehalten, sie also finanziell zu schröpfen. Die Solisten, die als »Piloten« ja den Erfolg einer Band maßgeblich herbeiführten, wurden nicht an den Verkaufslizenzen beteiligt. Es sei denn, man hatte besondere politische Beziehungen – Ausnahmen von dieser Norm gab es natürlich schon, und die Namen waren bekannt. Die Autoren oder Komponisten der Lieder, in unserem Fall meist Franz und Kurt, bekamen hingegen als Urheber Geld von der AWA (der Gema der DDR). Meine Autoren wiederum dachten gar nicht dar an, mir oder der Band über eine interne Beteiligung einen finanziellen Ausgleich zu verschaffen. Darüber schwieg man.
Ich wusste damals nicht, dass es Autoren gab, die ihre Interpreten intern beteiligten.
Als »Star« wohnte ich in einer Ofenheizungswohnung und wusch mich am Waschbecken in der Küche. Nach unzähligen Anträgen – die nicht nur ich selbst stellte, sondern auch meine
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