Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
enttäuschte, wenn ich zu sehr zum Sprachrohr des Staates wurde. Gleichzeitig ließ es sich kaum vermeiden, dass man »von oben« vereinnahmt wurde. Ein bisschen wie die Quadratur des Kreises. Wir erreichten unsere Fans vor allem durch Auftritte, aber die Plattform wurde oft genug durch eine FDJ-Veranstaltung oder dergleichen geschaffen. Es gab sogar eine Anweisung an die »Generaldirektion für Unterhaltungskunst«, Künstler für die SED zu gewinnen. Die Generaldirektion war eine Institution, die Anfang der Siebziger, als die Popmusik Einzug hielt in die DDR, ins Leben gerufen wurde, um Künstler ideologisch zu unterstützen und zu führen. Je größer unser Erfolg wurde, umso heftiger wurde das Drängen der Partei. Die Band fand es völlig in Ordnung, dass sich das Werben vornehmlich auf mich konzentrierte – und ich irgendwann nachgab und mich als Kandidatin der Partei eintragen ließ. Das sei doch gut für mich (und für sie selbst im Schlepptau, dachten sie wohl).
Den Kandidatenstatus gab ich bald wieder auf, der Druck nervte mich unendlich.
Ich blieb Musikerin, hatte einfach keine Verbindung zum politischen Taktieren, auch nicht zu den politischen Sängern, weder zu angepassten noch zu aufmüpfigen. Ich war die Sängerin der Jugend. Meine Botschaft war Humanismus, Menschlichkeit – das alltägliche Leben mit seinen Gefühlen so zu zeigen, wie es ist.
So hielt ich aber, ob ich es wollte oder nicht, immer noch als gutes Beispiel her für einen gelungenen kulturellen Aufbau.
In der Programmvorschau von DT 64 hieß es: »Am Beispiel solch profilierter Interpreten wie Veronika Fischer wollen wir deutlich machen, welche Entwicklung in unserem Land rechtzeitig erkannte und dementsprechend geförderte Talente nehmen können.« Und Bernhard Hönig schrieb 1975: »Das Publikum spürt: Das sind meine Haltungen, Gefühle, Geschichten. Was Veronika und ihre Musiker machen, ist ›echt‹ – Modewort für ehrlich, realistisch, wesentlich. Wenn wir dieser Unterhaltungskunst das Attribut ›sozialistisch‹ geben wollen – sie hat diese Qualitäten –, dann können wir es guten Gewissens.«
Ich schwankte zwischen der Freude am Spielen, den positiven Seiten des Erfolgs und einer nüchternen Sichtweise auf das, was mit uns passierte. Dieser Versuch, etwas Distanz zu wahren, kam ein bisschen auch aus der Ecke meiner Eltern, die sich über meinen Erfolg zwar freuten, aber sich natürlich fragten, wie lang das gut gehen würde. Für sie war mein jetziges Leben eine völlig fremde Welt: »Jetzt mit 24 Jahren glaube ich noch Zeit zu haben für meine Musik. Später kann ich vielleicht mit meinem Diplom an einer Hochschule unterrichten.« ( Der Morgen , Juni 1976)
Die Biermann-Petitionen unterschrieb ich nicht. Ich konnte die politischen Umstände, die ihn umgaben und die viele beschäftigten, damals nicht richtig einschätzen. Ich war einmal in die Chausseestraße mitgegangen zur »Audienz beim Meister«, und er hatte mich in seiner Selbstdarstellungsmanie nicht überzeugt. Bluessängerin sei ich? Dann sollte ich doch bitte im Dialekt singen …
Sechs Hits hatten wir in den ersten zwei Jahren, zu verschiedenen Festivals wurden wir offiziell als Repräsentanten der DDR »abgesandt«. Die Berichte dazu klingen, als hätten wir an einem Trainingslager für Olympia teilgenommen. Über einen Auftritt in Sofia heißt es etwa: »Beim 12. Internationalen Festival Goldener Orpheus . 9:30. ›Veronika Fischer, DDR, bitte auf die Bühne…‹ Konzentration nun auch in der DDR-Beobachtergruppe, die inmitten des schon fast gefüllten Sommertheaters die Probe verfolgt. Walter Kubiczeck, stellvertretender Generaldirektor des Komitees für Unterhaltung, Horst Fliegel, Mitglied des Staatlichen Komitees für Rundfunk der DDR, Horst Rentz vom Bereich Unterhaltung des DDR-Fernsehens, Rundfunkreporterin Inge Penndorf – sie alle wollen Vronis ersten Probenauftritt miterleben. Inzwischen hat auch Franz Bartzsch, der musikalische Leiter, Komponist und Arrangeur am Piano inmitten des Orchesters Platz genommen. Martin Hoffmann hebt den Taktstock. 1-2-3… ›Dass ich eine Schneeflocke wär…‹. Veronika ist voll in ihrem Element. Noch bevor sie den bulgarischen Titel nach eigener Wahl vorträgt, gibt es Beifall von allen Seiten für die gelungene Interpretation. Unmittelbar nach der Probe kurze Auswertung im engen Kreis. Haltung, Gesamteindruck, Kostüm werden diskutiert.«
Übrigens ist die »Schneeflocke« nicht im Dreivierteltakt, sondern
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